Eingriff in die Keimbahn: Chinesische Forscher haben zum zweiten Mal das Erbgut eines menschlichen Embryos modifiziert. Mit Hilfe der Genschere CRISPR schleusten sie eine Genmutation in befruchtete Eizellen ein, die die Zellen gegen Aids immun macht. Allerdings: Die Erfolgsquote war extrem gering und nur jeweils eine Genkopie wurde ersetzt. Das bestätigt, dass solche ethisch umstrittenen Eingriffe in die Keimbahn auch technisch noch problematisch sind.
Bisher sind Eingriffe in die menschliche Keimbahn bei uns ein Tabu. Während gentherapeutischen Eingriffe an Körperzellen vielfach erforscht werden, ist die Veränderung von Genen bei frühen menschlichen Embryos verboten – und das aus gutem Grund: Wird an dem Erbgut dieser Zellen etwas verändert, dann wirkt sich dies alle Zellen und Gewebe des daraus heranwachsenden Menschen aus – auch auf ihre Ei- und Samenzellen.
Der erste Fall: Genschere gegen Blutkrankheit
Das aber bedeutet: Was in der Keimbahn geändert wird, bleibt auch bei allen Nachkommen verändert. Während die meisten westlichen Länder deshalb Eingriffe ins Erbgut menschlicher Embryonen grundsätzlich verboten haben, ist dies in China nicht der Fall. Hier sind solche Experimente legal, solange die Embryonen nicht lebensfähig sind oder daran gehindert werden, sich zum Fötus zu entwickeln.
Als Folge meldeten chinesische Forscher schon im April 2015 ihren ersten Durchbruch: Sie hatten erstmals ein Gen bei einem menschlichen Embryo repariert. Junjiu Huang von der Sun Ya-Tsen Universität in Guangzhou und seine Kollegen setzten die Genschere CRISPR/Cas9 ein, um das bei 86 befruchteten Eizellen das defekte Betaglobin-Gen auszuschneiden und zu ersetzen. Dieses Gen verursacht bei entsprechender Mutation die erbliche Blutkrankheit Thalassämie.
Der zweite Fall: Resistenzgen gegen Aids
Schon damals war klar, dass allein in China mindestens vier weitere Forschergruppen an der Genveränderung menschlicher Embryonen experimentieren. Jetzt ist ein weiteres Experiment veröffentlicht worden. In diesem haben Yong Fan von der Medizinischen Universität Guangzhou und seine Kollegen versucht, Embryonen ein Resistenzgen gegen HIV einzupflanzen – mit gemischtem Erfolg
Die Forscher nutzten CRISPR/Cas9, um in das Erbgut von 213 befruchteten Eizellen ein verändertes Immun-Gen einzuschleusen. Von diesem Gen, CCR5, ist bekannt, dass eine bestimmte, seltene Mutation dazu führen kann, dass seine Träger immun gegen Aids sind. Das mutierte Gen verhindert, dass das HI-Virus in die Wirtszellen eindringen kann.
Theoretisch wäre dies ein vielversprechender Ansatz, um Menschen künftig gegen HIV zu schützen. Doch in der Praxis zeigt die Studie, dass auch die am weitesten fortgeschrittenen Wissenschaftler noch weit von einer machbaren und verlässlichen Keimbahn-Therapie entfernt sind. Denn das Einschleusen des Resistenzgens gelang Fan und seinen Kollegen nur bei vier von den Embryos – und auch dort nur bei jeweils einer Kopie dieses Gens.
„Noch eine Menge Probleme“
„Das zeigt, dass es noch eine Menge technischer Schwierigkeiten gibt, bevor wir präzise Genveränderungen bei menschlichen Embryos durchführen können“, kommentiert Xiao-Jiang Li von der Emory University in Atlanta in „nature news“. Das räumen auch Fan und seine Kollegen ein. Sie plädieren aber dafür, deshalb erst recht an befruchteten Eizellen zu experimentieren, die sich wegen anderer Defekte ohnehin nicht weiterentwickeln können.
Solange die technischen Probleme nicht gelöst sind, sprechen sich auch die chinesischen Forscher gegen eine Keimbahn-Modifikation an lebensfähigen Embryos aus. „Jeder Versuch, durch Genmanipulation am Embryo genetisch veränderte Menschen zu erzeugen, muss streng verboten bleiben, bis wir die ethischen und wissenschaftlichen Probleme gelöst haben“, betont Fan gegenüber „nature news“. (Journal of Assisted Reproduction and Genetics, 2016; doi: 10.1007/s10815-016-0710-8)
(Nature, 12.04.2016 – NPO)