Biologie

Singvögel haben die schnellsten Augen

Sehsinn von Sperlingsvögeln hat die höchste zeitliche Auflösung aller Wirbeltiere

Blaumeisen sehen doppelt so schnell wie wir Menschen - und schneller als alle sonstigen Wirbeltiere. © Maximilian Dorsch/CC-by-sa 3.0

Gefiederte Superaugen: Blaumeise und Co tragen eine eingebaute Highspeed-Kamera im Auge. Denn die zeitliche Auflösung ihres Sehsinns ist mehr als doppelt so hoch wie bei uns Menschen. Sie können noch ein Flackern mit einer Frequenz von bis zu 146 Hertz problemlos erkennen. Damit besitzen diese Singvögel die schnellsten Augen aller Wirbeltiere, wie Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.

Die scharfe Sicht der Adler und anderer Raubvögel ist sprichwörtlich – und das zu Recht. Denn das Adlerauge hat eine mehr als doppelt so hohe räumliche Auflösung wie unser eigenes Sehorgan. In einem Grad seines Sehfelds kann er noch 143 Linien scharf voneinander trennen, bei uns verschwimmen schon 60 Linien auf der gleichen Fläche miteinander. Kein Wunder, dass sogar Geier sich auf die scharfen Augen der Adler verlassen, um frische Beute zu finden.

Flackerlicht als Test

Aber die Adler sind keineswegs die einzigen Superaugen im Vogelreich – im Gegenteil. Es gibt Vögel, die den Adler sogar noch übertreffen – in der zeitlichen Auflösung ihrer Augen. Das haben Anders Ödeen von der Universität Uppsala und seine Kollegen in ihrer Studie an Blaumeisen und Schnäppern herausgefunden.

Für ihr Experiment trainierten die Forscher diese Singvögel darauf, eine flackernde Lampe anzupicken, um eine Futterbelohnung zu erhalten. Pickten sie dagegen die benachbarte Lampe mit stetigem Licht aus, gingen sie leer aus. Im eigentlichen Test erhöhten die Wissenschaftler nun die Frequenz der Flackerlampe stufenweise immer weiter und beobachteten, wie lange die Vögel noch zwischen Flackern und stetigem Leuchten unterschieden konnten.

Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) sind bei der zeitlichen Auflösung des Sehsinns die Rekordhalter © Steve Garvie/ CC-by-sa 2.0

Schnellste Sicht aller Wirbeltiere

Das verblüffende Ergebnis: Die Vögel erkannten ein Flackern selbst dann noch, wenn die menschlichen Experimentatoren nur noch Dauerlicht wahrnehmen konnten. Die Trauerschnäpper konnten das An und Aus noch bei einer Frequenz von 146 Hertz sehen, die Meisen und Halsbandschnäpper lagen mit durchschnittlich 129 bis 137 nur wenig dahinter. Blaumeise und Co haben damit sogar die schnellste Sicht unter allen Wirbeltieren, wie Ödeen und seine Kollegen berichten.

Kein anderer Vertebrat hat einen Sehsinn mit einer so hohen zeitlichen Auflösung. Für uns Menschen ist beispielsweise schon eine Frequenz von nur 60 Hertz nicht mehr zeitlich auflösbar. Als Folge sehen wir im Kino oder am Fernseher einen bewegten Film ohne hakelige Übergänge. Würde jedoch einer dieser Vögel den Film anschauen, erschiene er für sie als langsame, ruckelige Abfolge von klar erkennbaren Einzelbildern– ähnlich wie für die Stubenfliege an der Wand.

Hilfe bei der Insektenjagd

Die Forscher gehen davon aus, dass die drei von ihnen untersuchten Arten keineswegs die einzigen mit solchen „Superaugen“ sind. „Diese schnelle Sicht könnte sogar ein weitaus typischeres Merkmal der Vögel sein als eine hohe räumliche Auflösung ihrer Augen“, meint Ödeen. „Es gibt noch eine Menge Vogelarten, die Blaumeisen und Schnäppern ökologisch und physiologisch sehr ähnlich sind, so dass sie wahrscheinlich auf deren Super-Sehkraft teilen.“

Fliegende Schmeißfliegen, wie ein Menschn sie sieht und wie der Schnäpper sie sieht.© Malin Thyselius

Aber warum besitzen die Vögel solche Superaugen? Einer der Gründe ist wahrscheinlich ihre Ernährungsweise: Schnäpper fressen vor allem Insekten, die sie im Flug aus der Luft fangen. Dafür aber müssen die Vögel die schnellen Flugbewegungen ihrer Beute sehen können, um ihren Flug entsprechend anzupassen. Zudem hilft die schnelle Sicht den Vögeln vermutlich bei der Flucht vor Greifvögeln: Sie können blitzschnell im Dickicht dünner Zweige verschwinden, ohne dabei ständig mit Ästen zu kollidieren.

Nerviges Flackern für Käfigvögel

Ihre Superaugen könnten den Singvögeln allerdings auch Nachteile bringen – wenn sie von uns in Gefangenschaft gehalten werden. Denn neue Leuchtmittel wie Energiesparlampen oder LEDs flackern meist mit einer Frequenz von rund 100 Hertz, wie die Forscher erklären. Unsere vergleichsweise langsamen Augen bemerken dies nicht. Vögel, die diesem künstlichen Licht ausgesetzt sind, dagegen schon.

Das kann bei im Käfig oder in beleuchteten Volieren gehaltenen Vögeln negative Folgen haben. Denn Studien zeigen, dass flackerndes Licht bei Mensch und Tier auf Dauer Stress, Verhaltensstörungen und Unbehagen auslösen kann. (PLOS ONE, 2016L; doi: 10.1371/journal.pone.0151099)

(Uppsala University, 21.03.2016 – NPO)

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