Medizin

Mehr Gürtelrose-Fälle durch Windpockenimpfung?

Kurz- bis mittelfristig steigt das Risiko für Nichtgeimpfte

Das Varizella-Zoster-Virus löst Windpocken und Gürtelrose aus. © Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Indirekter Effekt: Die Windpockenimpfung schützt die Geimpften auch vor der Gürtelrose. Bei Nichtgeimpften aber kann der fehlende frühe Kontakt mit dem Virus tatsächlich das Gürtelrose-Risiko erhöhen. Das haben Forscher nun anhand eines mathematischen Modells bestätigt. Allerdings gilt der Zusammenhang nur für rund 30 Jahre. Langfristig werden die Gürtelrose-Fälle auch bei nicht selbst Geimpften dank der Impfung deutlich fallen.

Der Zusammenhang zwischen Gürtelrose und Windpocken ist seit langem bekannt. Während der ersten Infektion, die meist im Vorschulalter geschieht, löst das Varizella-Zoster-Virus Windpocken aus. Wie bei anderen Herpesviren, beispielsweise dem für Lippenherpes verantwortlichen Herpes Simplex-Virus, verbleibt das Varizella-Zoster-Virus nach überstandener Krankheit im Körper.

Der Erreger kann dann jederzeit zu Gürtelrose führen – jedoch am ehesten, wenn die Abwehrkräfte des Menschen durch Krankheiten oder aber altersbedingt geschwächt sind. Während eine Impfung nicht nur zuverlässig vor Windpocken, sondern auch vor der Gürtelrose schützt, sind ältere Nichtgeimpfte besonders anfällig für die Erkrankung. Epidemiologische Studien deuten jedoch darauf hin, dass Kontakt mit an Windpocken erkrankten Kindern das Risiko für Gürtelrose senken kann.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Die seit 2004 von der Ständigen Impfkommission (STIKO) flächendeckend für alle Kinder empfohlene Windpockenimpfung führt möglicherweise indirekt zu einem erhöhten Risiko einer Gürtelrose-Erkrankung bei nicht gegen Windpocken geimpften Erwachsenen.

Langfristig überwiegen positive Effekte

Langfristig fallen dank der Windpockenimpfung auch die Gürtelrose-Fälle bei nicht selbst Geimpften deutlich. © CDC

Ob das wirklich stimmt, haben nun Wissenschaftler um Johannes Horn vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig im Auftrag der STIKO untersucht. Dafür haben sie die möglichen Auswirkungen der Windpockenimpfung mithilfe eines mathematischen Modells analysiert. Sie berechneten, wie sich die heute üblichen Impfraten über einen Zeitraum von 100 Jahren auf die Wahrscheinlichkeit von Gürtelrose-Fällen auswirken.

Ihr Ergebnis zeigt: Zwar kann es durch die Windpockenimpfung für circa 30 Jahre zu einer Erhöhung des Gürtelrose-Risikos bei denjenigen kommen, die nicht selbst gegen Windpocken geimpft sind. Langfristig werden die Erkrankungszahlen jedoch deutlich fallen – nämlich dann, wenn die Gruppe der heute schon gut geschützten Jüngeren älter wird und damit in Zukunft auch bei Erwachsenen gute Impfraten vorhanden sind.

Schutz durch Herdenimmunität

Denn wenn genügend Menschen in der Bevölkerung geimpft sind, können sich die Erreger auf Dauer nicht mehr effektiv ausbreiten. Auch nicht immune Personen sind dann geschützt: Es entwickelt sich eine sogenannte Herdenimmunität. Trotz des kurz- bis mittelfristig negativen Einflusses überwiegen deshalb laut den Forschern die positiven Effekte.

Zudem schütze die Impfung Kinder sicher vor einer Windpockenerkrankung und senke bei ihnen dadurch auch das Risiko, selbst später an Gürtelrose zu erkranken, betonen die Forscher. In der Altersgruppe der unter Zehnjährigen prognostiziert das Modell insgesamt eine dauerhafte Absenkung der Windpockenfälle. In den älteren Altersgruppen bleibt die Anzahl der Windpockenfälle hingegen wahrscheinlich stabil.

Auswirkungen systematisch beobachten

Werden Erkrankungsfälle von Windpocken im Kindes- und Erwachsenenalter sowie Gürtelrose systematisch beobachtet, könne das Ausmaß der Effekte der Windpockenimpfung korrekt erfasst werden, schließen die Wissenschaftler. Bei Anzeichen von negativen Effekten könne dann zum Beispiel mit einer Impfung gegen Gürtelrose oder einem systematischen Nachholen von Windpockenimpfungen gegengesteuert werden. (Human Vaccines & Immunotherapeutics, 2016; doi: 10.1080/21645515.2015.1135279)

(Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, 08.03.2016 – DAL)

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