Aha-Momente hat jeder schon erlebt: Plötzlich scheint dabei die Lösung eines Problems wie aus dem Nichts aufzutauchen. Aber wie verlässlich sind diese Geistesblitze? Das haben Forscher nun überprüft. Ihr Ergebnis: Lösungen, die auf solchen Aha-Momenten beruhen, sind sogar oft richtiger als diejenigen, die auf systematisches, analytisches Denken zurückgehen. Wir sollten sie daher nicht missachten, so ihr Rat.
Heureka! Von vielen großen Forschern und Genies wird berichtet, dass sie ihre besten Ideen durch plötzliche Eingebungen bekamen. Ob Albert Einstein, der in einem Gedankenexperiment über einen Fahrstuhl nachdachte und dabei die Basis für seine Allgemeine Relativitätstheorie fand, der Chemiker Kekulé, dem im Halbschlaf die Struktur des Benzolrings einfiel oder Niels Bohr, dem ein Geistesblitz die Grundlage für sein Atommodell lieferte.
Wie richtig sind Geistesblitze?
„Die Geschichte der großen Entdeckungen ist voll solcher Geistesblitze, was den Glauben nährt, dass solche Aha-Momente meist die richtige Lösung liefern“, sagt Carola Salvi von der Northwestern University. „Aber ob das auch stimmt, wurde bisher nie getestet und kann durchaus ein Irrglauben sei, weil schlicht nur die positiven Fälle erzählt werden.“
Um zu testen, wie verlässlich plötzliche Eingebungen wirklich sind, haben Salvi und ihre Kollegen Probanden 50 bis 180 verschiedene Denkaufgaben lösen lassen. Darunter waren klassische Wortfindungsaufgaben ebenso wie visuelle Puzzles. Alle Aufgaben mussten unter Zeitdruck absolviert werden und die Teilnehmer sollten anschließend angeben, ob sie durch analytisches Denke auf die Lösung gekommen waren oder durch einen Aha-Moment.
Spontan, aber korrekt
Das Ergebnis: Die Teilnehmer, denen ein Geistesblitz bei der Lösung half, lagen deutlich häufiger richtig als diejenigen, die systematisch an die Aufgabe herangegangen waren, wie die Forscher berichten. Bei den linguistischen Tests waren 94 Prozent der auf plötzlichen Eingebungen beruhenden Ergebnisse korrekt, aber nur 78 Prozent der durch analytisches Denken zustande gekommenen. Bei den visuellen Puzzeln stand es 78 zu 42 für die Aha-Momente.
„Das zeigt, dass das Vertrauen, das viele Menschen gegenüber solchen Eingebungen haben, durchaus gerechtfertigt ist“, sagt Salvi. Ihr Kollege John Kounios von der Drexel University ergänzt: „Das spricht dafür, eine Idee ernst zu nehmen, wenn sie durch einen Geistesblitz entstanden ist. Sie wird zwar nicht immer richtig sein, aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist sogar höher als bei einer Idee, die methodisch ausgearbeitet wurde.“
Leider unvorhersehbar
Dummerweise hat das Ganze aber einen Haken: Ein Geistesblitz lässt sich nicht erzwingen. „Diese Einsichten sind unbewusst und automatisch, man kann sie nicht drängen“, erklärt Kounios. „Der dahinterstehende Prozess benötigt seine eigene Zeit und erst wenn unser Unterbewusstsein alle Punkte verbunden hat, poppt die Lösung in unserem Bewusstsein als Aha-Moment auf.“
Im konkreten Test führte diese Unberechenbarkeit dazu, dass die Probanden mit den Geistesblitzen zwar häufiger richtig lagen, dafür aber die erlaubte Zeit überschritten. Denn sie neigten dazu erst dann zu antworten, wenn sie wirklich einen Aha-Moment hatten, statt einfach zu raten. Bei den Aufgaben, bei denen sie analytisch vorgingen, lagen sie zwar oft falsch, hielten dafür aber den Termin ein.
Zeitdruck hemmt Geistesblitze
Und noch etwas kommt hinzu: Je größer der Zeitdruck, desto geringer die Chance, dass ein Geistesblitz kommt. „Angst verschiebt unser Denken von solchen Einsichten hin zum analytischen Denken“, erklärt Kounios. „Deshalb sind Terminvorgaben zwar sinnvoll, um Aufgaben rechtzeitig abzuschließen, wenn aber kreative Ideen gefragt sind, ist es günstiger, einen flexiblen Zeitrahmen zu haben.“
Denn kommt beim Grübeln keine Eingebung, dann neigen viele Menschen dazu, vor Ablauf der Frist schnell noch eine Lösung zu raten – aber genau dabei werden die meisten Fehler gemacht, wie die Tests zeigen. „Dieses Raten beruht oft auf analytischen, bewussten Gedankengängen, die noch nicht abgeschlossen sind und daher voreilige, falsche Schlüsse fördern“, erklären die Forscher. „Eingebungen kommen dagegen erst dann überhaupt ins Bewusstsein, wenn das unbewusste Problemlösen abgeschlossen ist und sind deshalb oft korrekter.“ (Thinking & Reasoning, 2016; doi: 10.1080/13546783.2016.1141798)
(Drexel University, 08.03.2016 – NPO)