Beachtlicher Effekt: Wer längere Zeit regelmäßig Aspirin einnimmt, der kann sein Darmkrebsrisiko beträchtlich senken, wie eine große US-Studie nahelegt. Bei den Teilnehmern sank die Darmkrebsrate um 19 Prozent, Tumore der Verdauungsorgane allgemein verringerten sich um 15 Prozent, wie die Mediziner im Fachmagazin „JAMA Oncology“ berichten. Zumindest für familiär Vorbelastete sei daher eine vorbeugende ASS-Einnahme möglicherweise empfehlenswert.
Die Acetylsalicylsäure (ASS) gehört zu den weltweit am häufigsten eingenommenen Arzneimitteln überhaupt. Die meisten Menschen nehmen Aspirin und Co dabei als Schmerzmittel, Fiebersenker und Entzündungshemmer ein. Viele Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekommen den Wirkstoff jedoch auch wegen seiner blutverdünnenden Wirkung.
Spurensuche bei 136.000 Probanden
Schon vor einigen Jahren ergab eine Studie, dass die Acetylsalicylsäure bei längerer Einnahme sogar vor erblichem Darmkrebs schützen kann. Ob diese vorbeugende Wirkung auch für andere Krebsarten gilt und für welche, haben Andrew Chan vom Massachusetts General Hospital und seine Kollegen nun näher untersucht.
Für ihre Studie nutzen die Forscher die Daten zweier großer US-Langzeitstudien, in deren Rahmen 136.000 Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte über Jahrzehnte hinweg medizinisch begleitet und regelmäßig untersucht und befragt wurden. Die Wissenschaftler prüften, ob es Korrelationen zwischen der regelmäßigen Einnahme von Aspirin und der Häufigkeit bestimmter Krebsarten bei den Teilnehmern gab.
19 Prozent weniger Darmkrebs
Und tatsächlich: Die Studienteilnehmer, die über mindestens fünf Jahre hinweg zweimal pro Woche eine Aspirin mit normaler oder niedriger Dosierung eingenommen hatten, erkrankten weniger häufig an Krebs. Im Mittel für alle Krebsarten sank ihr Risiko um drei Prozent, wie die Forscher berichten.
Beim Darmkrebs war der Effekt am größten: Die Aspirin-Einnahme reduzierte die Häufigkeit von Dickdarm- und Enddarmkrebs um 19 Prozent, Krebs der Verdauungsorgane allgemein reduzierte sich um 15 Prozent. Keinen Effekt beobachteten die Mediziner dagegen für Lungenkrebs, Prostatakrebs und Brustkrebs.
Warum die Acetylsalicylsäure so selektiv gerade auf Krebsarten der Verdauungsorgane wirkt, ist bisher unklar. Bekannt ist von diesem Wirkstoff, dass er das Enzym Cylclooxygenase 1 (COX 1) hemmt und so die Menge des Schmerzbotenstoffs Prostaglandin 2 in den Geweben senkt. Die Forscher vermuten, dass Aspirin darüber hinaus auch Mechanismen beeinträchtigt, die die Entstehung von Krebs im Darm begünstigen.
30.000 US-Darmkrebsfälle verhindern
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Aspirin-Einnahme einer beträchtlichen Zahl von Darmkrebs-Fällen vorbeugen könnte – und das noch über die Menge hinaus, die durch die Früherkennung vermieden wird“, konstatiert Chan. Nach Schätzungen der Forscher könnten allein in den USA durch die regelmäßige Einnahme von ASS knapp 30.000 Tumore der Verdauungsorgane verhindert werden.
Allerdings: Wie die Wissenschaftler betonen, kann ihre Studie bisher keinen kausalen Zusammenhang nachweisen und auch den Mechanismus nicht erklären – auch wenn die Ergebnisse sehr deutlich sind, handelt es sich bisher nur um Korrelationen. „Deshalb sind wir noch nicht an dem Punkt, wo wir allen die Einnahme von Aspirin zur Krebsvorbeugung empfehlen“, sagt Chan.
Einnahme für familiär Vorbelastete empfohlen
Aber für Menschen, die ohnehin wegen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung einen Blutverdünner einnehmen oder bei denjenigen, in deren Familie gehäuft Darmkrebsfälle auftreten, sei eine Einnahme von ASS durchaus zu empfehlen. „Es wäre sinnvoll, dass diese Menschen über diese Möglichkeit mit ihrem Arzt sprechen“, erklärt Chan. Allerdings müsse man dabei beachten, dass ASS die Magenschleimhaut angreift und daher durchaus Nebenwirkungen haben kann.
Die Forscher betonen jedoch auch, dass das Tablettenschlucken kein Ersatz für eine Darmspiegelung oder eine andere Methode der Krebsfrüherkennung sein kann. Es könne aber überall dort als kostengünstige Alternative angedacht werden, wo die medizinische Infrastruktur oder das Geld nicht ausreichen, um regelmäßige Früherkennungs-Tests anzubieten. (JAMA Oncology, 2016; doi: 10.1001/jamaoncol.2015.6396)
(Massachusetts General Hospital, 04.03.2016 – NPO)