Geowissen

Gewaltige Sauerstoff-Quelle im Erdmantel entdeckt

Neuentdeckte Eisenoxide geben unter Hochdruck und Hitze Sauerstoff ab

Im Erdmantel entstehen zwei bisher unbekannte Eisenoxide - und geben dabei große Mengen Sauerstoff ab. © HG: Johannes Gerhardus Swanepoel/ iStock.com

Im Erdmantel gibt es offenbar eine gewaltige, bisher unbekannte Sauerstoffquelle. Denn unter dem hohen Druck und der Hitze in diesen Tiefen bilden sich zwei neuartige Eisenoxid-Formen, wie Forscher bei Hochdruck-Experimenten entdeckt haben. Bei dieser Umwandlung geben die Eisenminerale große Mengen Sauerstoff ab. Wie sich dies auf die Prozesse im Erdmantel auswirkt, ist bisher jedoch noch unbekannt, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“.

Eisenoxide sind Minerale, die in der Natur in verschiedenen kristallinen Strukturen vorkommen. Besonders weit verbreitet sind Hämatit (Fe2O3) und Magnetit (Fe3O4). Diese Eisenerz-Minerale haben einen Eisengehalt von über 70 Prozent und sind damit wichtige Rohstoffe für die Gewinnung von Eisen und Stahl. Bei hohem Druck und hohen Temperaturen können jedoch noch weitere Eisenoxid-Varianten entstehen – das ist unter anderem im Erdmantel der Fall.

Hämatit und Magnetit unter Druck

In ihrem Hochdruck-Experiment haben Elena Bykova von der Universität Bayreuth und ihre Kollegen die Eisenminerale Hämatit und Magnetit den extremen Bedingungen des Erdmantels ausgesetzt. Dafür nutzten sie eine Diamantstempelzelle, in der winzige Materialproben mit einem Druck von einigen hunderttausend Atmosphären zusammengepresst werden. Mit einem Laser erhitzten die Forscher die Proben dabei zusätzlich auf mehr als 2.00 Grad Celsius.

Der Hintergrund für dieses Experiment: Eisenerze kommen in dicken Ablagerungen in der Erdkruste vor und gelangen an den Plattengrenzen auch in den Erdmantel. Dies geschieht in Subduktionszonen, in denen sich eine Platte unter die andere schiebt und dabei in die Tiefe gedrückt wird. „Die Vermutung liegt nahe, dass auf diese Weise auch große Mengen von Hämatit und Magnetit tief in den Erdmantel vorgedrungen sind“, erklärt Bykova.

Bei mehr als 567 Gigapascal Druck entsteht das Eisenoxid Fe5O7 © Elena Bykova/ Universität Bayreuth

Zwei neue Oxide

Was unter diesen Extrembedingungen passiert, beobachteten die Wissenschaftler mit Hilfe eines Röntgenstrahls, unter anderem am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) in Hamburg. „Die intensive und zugleich äußerst feine Röntgenstrahlung macht es möglich, Veränderungen in der kristallinen Struktur der Proben zu beobachten – eben die, die durch die extreme Steigerung des Drucks und der Temperatur ausgelöst werden“, erklärt Bykova.

Das Ergebnis: Bei einem Druck von mehr als 67 Gigapascal und einer Temperatur von rund 2.400 Grad Celsius zerfiel das Hämatit und bildete ein neues, zuvor unbekanntes Eisenoxid, Fe5O7. Druck und Hitze entsprachen dabei den Bedingungen im unteren Erdmantel in rund 1.500 Kilometern Tiefe. Bei einem Druck von rund 70 Gigapascal zerfiel auch das Magnetit, und es bildete sich das neuartige Eisenoxid Fe25O32, wie die Forscher berichten

Sauerstoffquelle tief im Erdmantel

Das Besondere daran: Die Bildung beider bisher unbekannten Eisenoxide setzt flüssigen Sauerstoff frei – und das in ziemlich großem Maße. Rechnet man dies auf die Menge der im Laufe der Erdgeschichte in den Erdmantel gedrückten Eisenerze hoch, dann stellt diese Eisenoxidbildung eine gewaltige Sauerstoffquelle tief im Erdinneren dar.

Bei etwa 70 Giogapascal bildet sich Fe25O32 © Elena Bykova/ Universität Bayreuth

„Allein bei der Umwandlung von Hämatit in FeO sind demnach Sauerstoffmengen produziert worden, die insgesamt acht- bis zehnmal größer sind als die Sauerstoffmenge in der heutigen Erdatmosphäre“, verdeutlicht Bykova. „Das ist überraschend. Es zeigt, dass uns wesentliche Teile der Erdprozesse nach wie vor unbekannt sind. Abtauchende Platten können offensichtlich unerwartete Effekte bewirken.“

Auswirkungen noch rätselhaft

Was mit diesem Sauerstoff im Erdmantel passiert, ist noch nicht klar. „Es ist aber angesichts der produzierten Mengen sehr wahrscheinlich, dass der bei der Umwandlung von Eisenoxiden entstandene Sauerstoff den Materialkreislauf der Erde bis heute erheblich beeinflusst“, erklärt Koautor Leonid Dubrovinsky von der Universität Bayreuth.

Die sauerstoffreiche Flüssigkeit könnte lokal das umgebende Gestein oxidieren oder zur Übergangszone oder sogar bis in den oberen Mantel aufsteigen. Möglicherweise trägt er dort zur Bildung von Silikaten bei, so die Vermutung der Wissenschaftler. Das müsse aber erst noch weiter untersucht werden.

„Zurzeit können wir nur sagen, dass es dort eine riesige Sauerstoffquelle im Mantel gibt, die geochemische Prozesse wesentlich beeinflussen kann, indem sie Oxidationszustände ändert und Spurenelemente mobilisiert“, sagt Dubrovinskys Kollege Maxim Bykov. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms10661)

(Universität Bayreuth/ Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY), 12.02.2016 – NPO)

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