Paläontologie

Skurril: Urzeit-Antilope mit Dinosaurier-Nase

Knöcherner Nasenkamm ähnelt verblüffend den Kämmen der Entenschnabel-Dinosaurier

Der fossile Schädel einer Rusingoryx -Antlilope, gelb markiert ist der Nasenkamm. © Cell Press

Überraschender Fund: In Kenia haben Paläontologen eine Steinzeit-Antilope mit einem auffallenden Nasenkamm entdeckt. Das Ungewöhnliche daran: Eine solche knöcherne Struktur war bisher nur von Dinosauriern bekannt. Bei Säugetieren wurde ein solcher Knochenkamm dagegen noch nie gefunden. Wozu der seltsame Kamm diente, ist unklar, er könnte den Steinzeit-Antilopen aber vielleicht Infraschall-Rufe ermöglicht haben, so die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.

Im Osten des Victoriasees in Kenia liegt eine kleine Insel, Rusinga Island. Auf ihr ereignete sich vor rund 18.000 Jahren ein wahres Massaker, wie Ausgrabungen von Paläontologen ergaben. Denn sie fanden dort die durcheinander geworfenen Knochen einer ganzen Herde von urzeitlichen Antilopen, zusammen mit Steinwerkzeugen und zerschlagenen Skelettteilen. Wie genau diese Antilopen, Rusingoryx atopocranion getauft, aussahen, blieb jedoch unklar, weil intakte Schädel fehlten.

Nasenkamm aus Knochen

Haley O’Brien von der Ohio University in Athens und ihre Kollegen haben daher seit 2011 gezielt nach weiteren Antilopen-Fossilien auf Rusinga Island gesucht. Tatsächlich konnten sie mehrere intakte Schädel ausgraben. Doch als sie diese genauer anschauten, entdeckten sie Überraschendes: „Ich war erstaunt zusehen, dass diese Schädel völlig anders aussahen als die jeder Antilope, die ich bisher kannte“, berichtet Koautorin Kristen Jenkins von der University of Minnesota.

Denn auf der Nase der Tiere prangte ein auffallender, knöcherner Nasenkamm. Diese schmale, lange Erhebung zog sich von der Schnauze bis zur Stirn der Urzeit-Antilopen. „Ein solcher Nasenkamm ist eine für Säugetiere völlig neue Struktur – das ähnelt nichts, was wir von heute lebenden Tieren kennen“, sagt O’Brien.

Schädel des Entenschnabel-Sauriers Parasaurolophus cyrtocristatus - ein Nasenkamm war größer, aber ähnlich aufgebaut. © Matt Martyniuk/ CC-by-sa 2.5

Wie bei den Hadrosauriern

Wie die Paläontologen erklären, gibt es im Tierreich nur ein ganz ähnliches Beispiel für einen solchen Kamm: bei den Hadrosauriern. Wegen ihrer ungewöhnlichen Schnauzenform sind diese pflanzenfressenden Kreidezeit-Echsen auch als Entenschnabel-Dinosaurier bekannt. 2013 wurde das Fossil eines jungen Hadrosauriers entdeckt, das einen ganz ähnlichen, einer „Tröte“ ähnelnden Nasenkamm besaß.

Allerdings sind diese Dinosaurier nicht mit den Steinzeit-Antilopen verwandt und lebten zudem gut 70 Millionen Jahre früher. Nach Meinung der Forscher muss es sich daher um ein besonders ungewöhnliches Beispiel einer konvergenten Evolution handeln: Zwei nicht verwandte Tierarten entwickeln unabhängig voneinander gleiche Merkmale

Rätselhafte Luftkammern

Untersuchungen mit einem Computertomografen enthüllten weitere Besonderheiten beim Nasenkamm der Rusingoryx-Antilopen: „Wir hatten erwartet, dass das Innere näher an der normalen Säugetier-Anatomie liegt“, sagt O’Brien. „Aber als wir dann die CT-Aufnahmen sahen, waren wir ziemlich geschockt.“ Wie sich zeigte, enthielt der Kamm mehrere große Luftkammern.

Die Forscher vermuteten zunächst, dass es sich um eine Art Klimaanlage für die Atemluft handeln könnte, ähnlich wie es einige Wüstentiere als nichtknöcherne Strukturen in ihren Nasen entwickelt haben. Doch die CT-Aufnahmen lieferten keine Indizien für eine Atmung durch diese Luftkammern – diese Erklärung schied damit aus. Auch eine Funktion bei Rivalenkämpfen erschien angesichts des eher dünnen, wenig stabilen Knochenkamms fraglich.

So könnte Rusingoryx atopocranion vor 18.000 Jahren ausgesehen haben. © Todd S. Marshall (http://www.marshalls-art.com)

Nasenkamm als Schall-Modulator?

Wozu aber diente der Nasenkamm den Antilopen dann? Einen Hinweis gaben wieder die Entenschnabel-Dinosaurier. Denn schon bei ihnen hatten Paläontologen vermutet, dass es sich um eine Art Megaphon oder Schallmodulator handeln könnte. Die Luft in den Kammern schwingt beim Rufen mit und verstärkt und verändert so den Schall.

Bei den Antilopen könnten die Trompeten-artigen Kammern dazu gedient haben, die Tonhöhe einiger Rufe stark abzusenken. Wie Computersimulationen ergaben, hätten die Luftkammern im Nasenkamm die normalen Rufe auf Frequenzen zwischen 248 und 746 Hertz abgesenkt. Dadurch hätte Rusingoryx fast mit Infraschall kommunizieren können – ähnlich wie es heute noch Elefanten tun.

Der Vorteil solcher Infraschall-Rufe liegt auf der Hand: „Normale Laute können Raubtiere anlocken“, erklärt O’Brien. „Wenn die Antilopen ihre Rufe in einen für diese nicht hörbaren Beriech verschieben, macht dies die Kommunikation sicherer.“ Und der durch die Luftkammern veränderte Rufbereich von Rusingoryx lag wahrscheinlich unter dem Hörbereich von Prädatoren. Interessanterweise ist dies eine weitere Parallele zu den Hadrosauriern: Ihre Nasenkämme senkten ihre Rufe auf ähnliche Frequenzen ab, wie die Forscher berichten. (Current Biology, 2016; doi: 10.1016/j.cub.2015.12.050)

(Cell Press, 05.02.2016 – NPO)

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