Pflanzliche Waffe gegen aggressive Viren: Extrakte der als Heilpflanze bekannten Zistrose könnten künftig gegen HIV- und Ebola-Infektionen zum Einsatz kommen. Sie sind in der Lage, die Viren inaktiv zu machen und ihre Vermehrung zu hemmen – zumindest in Zellkulturen, wie Forscher im Fachmagazin „Scientififc Reports“ berichten. Sollte sich dies auch in Tierversuchen bestätigten, könnte dies ein Ansatzpunkt für neue Therapien werden.
Virale Infektionen sind für Ärzte nach wie vor eine große Herausforderung. Obwohl gegen viele Viren eigentlich medizinische Wirkstoffe zur Verfügung stehen, wird etwa die Therapie von der HIV und Aids immer schwieriger: Gegen herkömmliche Medikamente bilden die Viren zunehmend Resistenzen. Neuartige antivirale Wirkstoffe werden nicht nur aus diesem Grund dringend benötigt. Gegen etliche Viren gibt es bislang noch gar keine zugelassenen Präparate – zum Beispiel gegen Ebola- oder Marburg-Viren.
Neue Hoffnung macht nun ein Extrakt aus der Apotheke der Natur. Wissenschaftler um Stephanie Rebensburg vom Helmholtz Zentrum München haben Inhaltsstoffe der als Heilpflanze bekannten Zistrose (Cistus incanus) untersucht. Die Pflanze kommt im gesamten Mittelmeerraum vor und soll unter anderem entzündungshemmend und antibakteriell wirken.
Extrakt macht Viren inaktiv
Jetzt haben Rebensburg und ihre Kollegen auch virostatische Eigenschaften an der Heilpflanze entdeckt. Die Forscher testeten kommerziell erhältliche Cistus incanus-Präparate, Extrakte aus einem Tee sowie aus Blättern der Pflanze. Sie untersuchten dann in Zellkulturen, wie die Extrakte auf verschiedene HIV-Stämme wirkten.
Es zeigte sich: Die Extrakte waren zwar nicht in der Lage, die Viren abzutöten. Sie konnten jedoch bei allen Experimenten deren Vermehrung stoppen und die vorhandenen Viren inaktiv machen. Laut den Wissenschaftlern blockieren die Zistrose-Extrakte bestimmte Hüllproteine der Viren. Dadurch verhindern sie, dass die Viren an Wirtszellen andocken und eine Infektion auslösen können.
Besonders vielversprechend: Das funktionierte sogar bei einem HIV-Stamm, der gegen mehrere in der Therapie eingesetzten Wirkstoffe inzwischen resistent ist. Und selbst nach 24-wöchigen Labortests entstanden keine neuen Resistenzen gegen die Pflanzenextrakte. Auch gegen Viruspartikel mit Hüllproteinen von Ebola- bzw. Marburg-Viren zeigten sich die Extrakte der Zistrose ähnlich aktiv. Das Team fand zudem Hinweise dafür, dass Cistus-Extrakte viele antivirale Inhaltsstoffe enthalten, die in Kombination wirken könnten.
Potenzial für neue Medikamente
Dadurch könnten sich neue Ansatzpunkte zur globalen Bekämpfung lebensbedrohlicher Virusinfektionen ergeben, betonen die Forscher. Virenerkrankungen gehören zu den weltweit zehn häufigsten Todesursachen bei Menschen – HIV/ Aids belegt auf dieser Liste Rang sechs. „Unsere Ergebnisse liefern erste Hinweise, dass käuflich erhältliche Extrakte aus der Zistrose für die Entwicklung von neuartigen und wissenschaftlich fundierten Phytotherapeutika gegen HIV genutzt werden könnten“, schreiben die Wissenschaftler.
Solche Präparate könnten eine wertvolle Ergänzung der Palette an etablierten Arzneistoffen sein. Und auch gegen andere wichtige humanpathogene Viren wie Ebola oder andere Erreger könnten Extrakte der Zistrose in Zukunft vielleicht zum Einsatz kommen. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep20394)
(Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, 03.02.2016 – DAL)