Medizin

Kinder: Antibiotika fördern Asthma und Übergewicht

Makrolid-Antibiotika verändern die schützende Darmflora bei Kindern nachhaltig

Gerade bei kleinreen Kindern sollte jede Antibiotika-Gabe gut überlegt sein. © Fuse

Langfristige Folgen: Bekommen Kinder vor dem zweiten Lebensjahr bestimmte Antibiotika, verändert dies ihre Darmflora nachhaltig. Das wiederum beeinträchtigt ihre weitere gesundheitliche Entwicklung, wie Forscher herausgefunden haben: Solche Kinder leiden später häufiger unter Asthma und haben ein erhöhtes Risiko für Übergewicht. Es sollte daher gut überlegt werden, ob und welche Antibiotika kleine Kinder erhalten, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Communications“.

Dass Antibiotika die für uns so wichtige Darmflora stören und sogar nachhaltig schädigen können, ist nicht neu. Denn die bakterientötenden Mittel beseitigen nicht nur Krankheitserreger, sondern auch die nützlichen Helfer, die unser Immunsystem stärken, die Verdauung regeln und sogar gegen Asthma schützen können.

Es liegt daher nahe, dass gerade eine frühe Antibiotika-Gabe bei Kindern beträchtliche Folgen nach sich zieht. Forscher vermuten dies schon seit längerem, es fehlten aber konkrete Studien dazu. Katri Korpela von der Universität Helsinki und ihre Kollegen haben diese Wissenslücke nun geschlossen und die Folgen an 142 Kindern im Alter von zwei bis sieben Jahren untersucht.

Darmflora stark verändert

Von diesen Kindern hatte ein Teil schon vor dem zweiten Lebensjahr Antibiotika bekommen, teilweise sogar mehrfach. Bei anderen war dies nicht der Fall. Die Forscher nahmen von allen Kindern Kotproben und analysierten diese, um so die Zusammensetzung der Darmflora zu ermitteln. Zusätzlich prüften sie die Gesundheitsgeschichte der kleinen Teilnehmer auf Asthma und andere chronische Erkrankungen.

Bifidobacterien – sie waren bei den mit Antibiotika behandelten Kindern stark reduziert. © Julie6301/CC-by-sa 3.0

Es zeigte sich: Bei den Kindern, die Antibiotika aus der Klasse der Makrolide erhalten hatten, war die Darmflora deutlich verändert: Nützliche Mikroben aus der Gruppe der Actinobacteria waren bei diesen Kindern stark reduziert und teilweise kaum noch nachweisbar. Dafür nahmen andere Bakterientypen wie Proteobacteria und Bacteroidetes überhand, wie die Forscher berichten. Bei Kindern, die keine Antibiotika oder aber nur Penicillin erhalten hatten, war dies dagegen nicht der Fall.

Folgen noch zwei Jahre später

Aber nicht nur das: Die Darmflora von Kindern scheint sich nach einer Antibiotika-Behandlung nur sehr langsam zu regenerieren: Selbst zwei Jahre später wich die Mikrobengemeinschaft in ihrem Darm von der unbehandelter Kinder ab, wie Korpela und ihre Kollegen feststellten. Auch bestimmte Verdauungs-Enzyme wurden langfristig in geringeren Mengen ausgeschüttet.

„Die Darmflora scheint mehr als ein Jahr Zeit zu benötigen, um sich von einer Antibiotika-Behandlung zu erholen“, sagt Korpela. „Wenn ein Kind aber mehrfach solche Medikamente in seinen ersten Lebensjahren erhält, bleibt dem Mikrobiom keine Zeit, sich zu regenerieren.“ Als Folge bleiben die Veränderungen der Darmflora bestehen.

Strukturformel von Erythromycin, einem Makrolid-Antibiotikum © gemeinfrei

Mehr Asthma und Übergewicht

Welche Folgen dies hat, zeigte sich, als die Forscher die Krankengeschichte der Kinder näher anschauten: Diejenigen, die in den ersten beiden Lebensjahren Makrolide bekommen hatten, litten wesentlich häufiger unter Asthma oder beginnendem Asthma. „In diesen Fällen wichen vor allen drei Bakteriengattungen stark vom normalen ab: Blautia, Rothia und Coprobacillus“, berichten die Wissenschaftler. Zumindest von Rothia ist bereits bekannt, dass sie normalerweise zum Schutz vor Asthma beiträgt – und dass ihr Fehlen die Erkrankung fördern kann.

Aber auch einen Zusammenhang zu Übergewicht entdeckten die Forscher: „Es gab eine starke Korrelation zwischen der Antibiotika-Nutzung vor dem zweiten Lebensjahr und dem Bodymass-Index der Kinder“, so Korpela und ihre Kollegen. Kinder, die Makrolide erhalten hatten, waren häufiger übergewichtig. Bei ihnen waren zudem vier andere Bakteriengattungen auffallend verändert.

„Notwendigkeit eines Antibiotikums sehr genau prüfen“

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass selbst vorübergehende Störungen des Mikrobioms im frühen Kindesalter langanhaltende Effekte auf den Stoffwechsel und die Immungesundheit des Kindes haben können“, konstatieren die Forscher. Das bestätige und verstärke die bisher nur aus Tierversuchen bekannten Annahmen.

Alle Eltern und Mediziner sollten daher sehr genau prüfen, ob eine Gabe von Antibiotika bei einem kleinen Kind wirklich notwendig ist, raten Korpela und ihre Kollegen. Generell sollten diese Mittel nicht bei von allein ausheilenden Infekten verabreicht werden und auch nicht vorbeugend – „nur für den Fall“, wie sie betonen.

Und wenn der Einsatz eines Antibiotikums unabdingbar ist, dann sei es ratsam, auf Makrolide wie Erythromycin oder Azithromycin lieber zu verzichten. Diese Antibiotika werden Kindern bisher häufig gegen Atemwegsinfekte verabreicht, weil sie als gut verträglich gelten. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms10410)

(University of Helsinki/ Nature, 27.01.2016 – NPO)

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