Genetik

Ötzis Mutter gehörte zu einem ausgestorbenen Bergvolk

Forscher entschlüsseln die mütterliche Abstammungslinie der Eismumie

Hand in Hand mit Ötzi, der EIsmumie aus der Kupferzeit © Südtiroler Archäologiemuseum/ EURAC/ M.Lafogler

Ausgestorbenes Bergvolk: Die Mutter von Ötzi gehörte wahrscheinlich zu einem lokalen Bergvolk der Alpen, das heute ausgestorben ist. Denn die Eismumie trägt eine mitchondriale DNA, die sich in heutigen Europäern nicht mehr findet, wie Forscher anhand von Genanalysen herausgefunden haben. Wahrscheinlich ließ eine neue Einwanderungswelle nach Europa in der Bronzezeit diesen Volksstamm aussterben.

Es gibt wohl kaum einen Vertreter der frühen europäischen Vergangenheit, der so gut untersucht ist wie Ötzi, der im Eis der Ötztaler Alpen konservierte Mann aus der Kupferzeit. So wurde bei dem vor 5.000 Jahren gestorbenen Mann ein Befall mit dem Magenkeim Helicobacter diagnostiziert, außerdem schlechte Zähne. Erbgut-Analysen enthüllten zudem, dass Ötzi keinen Milchzucker vertrug, braune Augen besaß und über die männliche Abstammungslinie mit den heutigen Bewohnern Sardiniens verwandt ist.

Mütterliche Abstammung untersucht

Aus welchem Volk jedoch Ötzis Mutter stammte, war bisher unbekannt. Valentina Coia von der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) und ihre Kollegen sind der mütterlichen Abstammung der Eismumie nun mit Hilfe einer neuen Genanalyse auf den Grund gegangen. Sie analysierten dafür die mitochondriale DNA, das Erbgut, das nicht im Zellkern, sondern in den Kraftwerken der Zelle liegt und über die Eizelle nur über die mütterliche Linie weitervererbt wird.

Die Forscher verglichen Ötzis mitochondriale DNA mit der von mehr als tausend heute lebenden Menschen aus ganz Europa. Dabei zeigte sich: Ötzi und seine Mutter gehörten einer Unterform der genetischen Linie K1 an. Diese gelangte wahrscheinlich schon vor rund 8.000 Jahren nach Europa, als Menschen aus dem Nahen Osten und dem Mittelmeer einwanderten, wie die Forscher erklären.

So könnte Ötzi zu seinen Lebzeiten ausgesehen haben © Südtiroler Museum für Archäologie/ Ochsenreiter

Kleines Bergvolk

Zu Ötzis Lebenszeit war dieser Gentyp bereits in ganz Europa verbreitet und hatte sich in verschiedenen Unterformen aufgespalten. In den Ostalpen, Ötzis Herkunftsregion, bildete sich damals eine lokal begrenzte Gruppe von Menschen, die den Untertyp K1f trugen – den Gentyp von Ötzi und seiner Mutter. „Diese Gruppe muss auf diese Alpenregion beschränkt gewesen sein, denn man hat sie nirgendwo sonst gefunden“, berichten Coia und ihre Kollegen.

Väterlicherseits dagegen erbte Ötzi die für die damaligen Europäer typische, seit der Jungsteinzeit verbreitete Genausstattung, wie die Analysen seines Y-Chromosoms bereits gezeigt haben. Über diese Gene ist er mit den Bewohner Korsikas und Sardiniens verwandt. Diese Genlinie gibt es daher bis heute. Aber was ist mit dem Erbgut seiner Mutter? Hat es überlebt?

Um das herauszufinden, analysierten die Forscher gezielt das mitochondriale Genom von 42 Menschen aus dem Ostalpenraum – den möglichen Nachfahren des Stammes von Ötzi und seiner Mutter. Doch vom Gentyp K1f keine Spur. Wie die Forscher berichten, ist der Volksstamm, dem Ötzi über die mütterliche Linie angehörte, offenbar schon kurz nach Ötzis Tod ausgestorben.

Einwanderer brachten neue Gene mit

Den Grund für das Verschwinden dieses Alpenvolks sehen die Wissenschaftler in neuerlichen Wanderungsbewegungen, die vor rund 5.000 Jahren ganz Europa prägten und veränderten. Ötzis väterliche Genlinie blieb dabei auf den isolierten Inseln Sardinien und Korsika noch erhalten, wurde im Rest Europas aber durch neue Genlinien ersetzt. Weil die mütterliche Linie jedoch ohnehin nur von einer kleinen lokalen Population weitergegeben wurde, konnte sie sich nicht gegen die neuen Gengruppen durchsetzen und starb aus.

„Dies wird auch von archäologischen Daten gestützt, die zeigen, dass die Heimat des Eismannes zu seiner Zeit nur sehr dünn besiedelt war“, berichten Coia und ihre Kollegen. „Rund 2.000 Jahre später aber, in der mittleren Bronzezeit, begann ein signifikantes Bevölkerungswachstum.“ Dieses muss vor allem durch eine eingewanderte Bevölkerungsgruppe in Gang gebracht worden sein. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep1893)

(European Academy of Bozen/Bolzano (EURAC), 15.01.2016 – NPO)

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