Was werden in diesem Jahr die Trends und Top-Themen der Wissenschaft sein? Wo darf man auf Durchbrüche gespannt sein? Das Fachmagazin „Nature“ hat die Prognose gewagt. Demnach besteht eine gute Chance, dass Physiker 2016 erstmals Gravitationswellen nachweisen und vielleicht auch neue Teilchen. Außerdem geht die erste kommerzielle Anlage zum Einfangen von Kohlendioxid aus der Luft in Betrieb und eine Raumsonde mit Solarantrieb startet.
Im Nachhinein die Highlights und Top-Forscher eines Jahres auszuwählen ist schon schwierig genug, aber noch heikler ist es, vorherzusagen, wo im kommenden Jahr wohl die größten Fortschritte und spannendsten Entdeckungen gemacht werden. Das Fachmagazin „Nature“ hat dennoch einen ersten Ausblick gewagt und hebt ein paar Fachgebiete, Projekte und Ereignisse heraus, die ihrer Ansicht nach 2016 besondere Bedeutung haben werden.
Nachweis von Gravitationswellen
Spannend könnte es demnach in der Astrophysik werden: Physiker halten es durchaus für möglich, dass schon in diesem Jahr erstmals Gravitationswellen direkt nachgewiesen werden – die Wellen der Raumzeit, die durch explosive Ereignisse wie Supernovae oder durch die Verschmelzung Schwarzer Löcher entstehen. Bisher lässt sich die Existenz dieser von Albert Einstein vorhergesagten Wellen nur indirekt belegen, beispielsweise durch Energieverluste kosmischer Objekte.
Doch 2016 könnte es zwei Gravitationswellen-Detektoren geben, die diese Wellen direkt einfangen können. Der Detektor LIGO in den USA wurde 2015 umgebaut und ist nun zehnfach sensibler als zuvor und der aufgerüstete Detektor VIRGO in Italien soll ebenfalls wieder in Betrieb gehen. Beide können damit nun Gravitationswellen aus einem sehr viel größeren Bereich des Weltraums erfassen – und das steigert die Chance auf einen Nachweis enorm. Forscher sind daher relativ sicher, mit dieser Detektorgeneration schon innerhalb eines Jahres Gravitationswellen nachweisen zu können.
Erste kommerzielle CO2-Fänger
2016 könnte auch das Jahr werden, in dem erste Geoengineering-Technologien kommerziell eingesetzt werden. Denn gleich zwei Firmen sitzen in den Startlöchern, die das Treibhausgas Kohlendioxid mittels „Air Capture“ aus der Luft einfangen und weiterverarbeiten wollen. Während die Abscheidung von CO2 aus Kraftwerksabgasen bereits umgesetzt wird, galt die Gewinnung des Gases direkt aus der Luft bisher als unrentabel, weil seine Konzentration dort viel geringer ist.
Im Juli soll nun eine erste kommerzielle Anlage der Firma Climeworks im schweizerischen Hinwil in Betrieb geben. Das CO2 wird dabei mit Hilfe eines Granulats aus Kaliumhydroxid chemisch gebunden und dann später vom Granulat abgetrennt. Rund 1.000 Tonnen CO2 pro Jahr sollen so aus der Atmosphäre eingefangen werden. Bereits seit Oktober 2015 ist eine ähnliche Anlage im kanadischen British Columbia in Betrieb. Sie gewinnt rund eine Tonne CO2 pro Tag.
Raumfahrt: Mars, Jupiter und ein geplanter Crash
Auch in der Raumfahrt tut sich 2016 einiges: Im März startet die europäisch-russische Mission ExoMars 2016 zum Roten Planeten. Sie besteht aus einem Orbiter und einer einfachen Landesonde und ist sozusagen die Vorhut einer umfangreicheren Landemission im Jahr 2018. Im April plant die Planetary Society den ersten Testflug der von einem riesigen Sonnensegel angetriebenen Sonde Lightsail. Im Juni 2016 wird die NASA-Raumsonde Juno nach ihrer fünfjährigen Anreise den Jupiter erreichen. Ebenfalls im Juni startet der erste Testsatellit für die Quantenkommunikation in den Erdorbit.
Verabschieden müssen wir uns dagegen der ESA-Raumsonde Rosetta. Sie wird im September 2016 auf Kollisionskurs mit „ihrem“ Kometen gehen und dort zerschellen. Das klingt brutal, gibt den Forschern aber noch eine letzten Chance, die Oberfläche des Kometen aus großer Nähe zu sehen und zu untersuchen. Lander Philae ist seit einem letzten Lebenszeichen im Juli 2015 weiterhin stumm geblieben.
Neue Teilchen und stärkere Röntgenblitze
Im Mikrokosmos könnte es ebenfalls neue Entdeckungen geben. Denn 2016 ist das erste komplette Jahr, in dem der Teilchenbeschleuniger LHC mit seiner neuen, höheren Energie laufen wird. Seine Daten könnten klären, ob der vor kurzem entdeckte „Buckel“ überschüssiger Photonen und weitere Anomalien Hinweise auf neue Teilchen sind. „Wir stehen an der Schwelle zu einer aufregenden Zeit in der Teilchenphysik“, prophezeite schon Mitte 2015 der Physiker Fleming Crim von der US National Science Foundation.
In Schweden geht im Juni zudem das erste Synchrotron der vierten Generation in Betrieb. Der Ringbeschleuniger erzeugt intensive und kompakte Röntgenpulse, indem er Elektronen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf einen Schlingerkurs zwingt. Das neue Synchrotron konzentriert die Elektronen dabei in kleinere Pakete als bisher möglich und erzeugt dadurch noch dichtere Röntgenblitze.
(Nature, 04.01.2016 – NPO)