Ein Planetenjäger, eine Klima-Diplomatin und ein Embryonenforscher: Dies sind nur einige der zehn Menschen des Jahres, die das Fachmagazin „Nature“ als besonders einflussreich, herausragend oder als wichtige „Macher“ gekürt hat. Mit dabei sind auch ein in Deutschland arbeitender Chemiker, den Gen-Archäologe und eine Astronomin, die unlauteres Verhalten in ihrem Fachgebiet aufdeckte.
Zum Ende jedes Jahres wählen die Redakteure des Fachmagazins „Nature“ die zehn Forscherinnen und Forscher aus, die ihrer Ansicht nach in diesem Jahr am meisten in der Welt der Wissenschaft bewegt haben. „Die Liste dieses Jahres ehrt Menschen, die eine wichtige Rolle in verschiedensten Bereichen, vom Klimaschutz über das Editieren von Genen bis zu Reproduzierbarkeit der Forschung gespielt haben“, sagt Nature-Chefredakteurin Helen Pearson. Ihre Top Ten sind jedoch nicht als Rangfolge zu verstehen.
Pluto-Jäger und Supraleiter
Er ist die treibende Kraft hinter der Weltraummission des Jahres, dem Besuch der NASA-Raumsonde New Horizons-Mission beim Pluto: Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder hatte als wissenschaftlicher Leiter einen wichtigen Anteil daran, dass die Raumsonde im Juli 2015 den fernen Außenposten unseres Sonnensystems erreichte – und uns eine Überraschung nach der anderen bescherte.
Ebenfalls unter den Menschen des Jahres 2015 ist Mikhail Eremets vom Max-Planck-Institut für Chemie. Ihm und seinen Kollegen gelang im August ein Durchbruch bei der Supraleitung: Sie machten die Allerweltverbindung Schwefelwasserstoff schon bei minus 70 Grad widerstandsfrei – ein neuer Temperaturrekord. Er gilt als wichtiger Fortschritt auf dem Weg zur Supraleitung bei Raumtemperatur.
Klima-Reisende und Atom-Diplomat
Eine weitere der im Jahr 2015 gekürten Menschen des Jahres ist Christiana Figueres, die Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention UNFCCC. Sie wird für ihre wichtige Rolle bei den Verhandlungen auf dem Welt-Klimagipfel in Paris geehrt – und in den mehr als fünf Jahren, in denen sie rund um die Welt reiste, um diesen Gipfel vorzubereiten. Ihre größte Herausforderung war es dabei, den nach dem gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen festgefahrenen Verhandlungsprozess überhaupt wieder in Gang zu bringen.
Auch eher Diplomat als Forscher ist Ali Akbar Salehi. Der Ingenieur und Leiter der Atomenergie Organisation im Iran trug entscheidend dazu bei, dass am 14. Juli 2015 sechs Weltmächte ein Atomabkommen unterzeichneten. In diesem willigt der Iran Kontrollen durch internationale Behörden ein und einer Einschränkung seiner Anreicherung von Uran. Im Gegenzug werden die Sanktionen gelockert.
Genschere und synthetische Biologie
Die schon bei den Durchbrüchen dieses Jahres gefeierte Genschere CRISPR/Cas9 taucht auch bei den Menschen des Jahres auf. Der chinesische Forscher Junjiu Huang sorgte in diesem Jahr für großes Aufsehen, als er erstmals das Erbgut eines menschlichen Embryos mit Hilfe dieser Genschere editierte. Eigentlich wollte er mit seiner Studie eher demonstrieren, dass die Forschung noch nicht so weit ist, diese Werkzeuge am Menschen einzusetzen. Doch sein Paper löste einen Sturm von Debatten zu Ethik dieser Technik aus.
Ebenfalls kontrovers ist die Arbeit von Christina Smolke und ihrem Team an der Stanford University. Denn sie schaffte es erstmals, Hefen genetisch so zu verändern, dass sie Opioide produzierten – den Rohstoff für wichtige Schmerzmittel, aber auch Drogen. Gelungen ist dies den Forschern mit Hilfe der synthetischen Biologie: Sie bastelten aus Genschnipseln von 23 verschiedenen Organismen einen Stoffwechselweg zusammen, der diese Synthese ermöglichte und pflanzten ihn den Hefen ein.
Künstliche Haut und bronzezeitliche Steppenreiter
Unter den Menschen des Jahres 2015 ist auch Zhenan Bao von der Stanford University. Sie und ihre Kollegen stellten im Oktober eine flexible künstliche Haut aus Kunststoff vor, die die Druck wahrnehmen kann und dieses Signal direkt an eine Nervenzelle weiterleitet. Das kann nicht nur Prothesen zu fühlenden Ersatzgliedern machen, es ist auch ein weiterer Schritt auf dem Weg, Technik immer enger mit unserem Nervensystem zu verbinden.
Weit zurück in unsere Vergangenheit reichen dagegen die Forschungen von David Reich von der Harvard University in Boston. Er und seine Kollegen haben in diesem Jahr gleich mehrfach enthüllt, welche wichtige Rolle Kultur der Jamnaja für die Entwicklung der europäischen Bronzezeit war. Denn erst die Einwanderung dieser Steppenreiter brachten unseren Vorfahren neue Fertigkeiten und Sitten – und sie hinterließ bis heute Spuren in unserem Genom.
Aufräumen in der Welt der Wissenschaft
Den Abschluss machen zwei Menschen, die viel dafür getan haben, Missstände in der Wissenschaftswelt aufzudecken und den guten Ruf der Forschung zu erhalten. Die Astronomin Joan Schmelz trug dazu bei, Fälle sexueller Belästigung durch einen renommierten Planetenforscher aufzudecken. Geoff Marcy hatte seine Position genutzt, um Jungforscherinnen zu Gefälligkeiten zu bringen.
Der Psychologe Brian Nosek war einer der leitenden Köpfe einer Forscherkollaboration, die systematisch 100 in Top-Journalen erschienene psychologische Studien auf ihre Reproduzierbarkeit hin überprüft haben. Diese gilt als Fundament der Wissenschaft und laut Nature hat die Arbeit von Nosek entscheidend dazu beigetragen, künftig neue Standards für Studien und ihre Veröffentlichung zu setzen. (Nature, 2015; doi: 10.1038/528459a)
(Nature, 21.12.2015 – NPO)