Geowissen

Woher kommen die Vulkane der Antarktis?

Seismische Daten zeigen überraschend heiße Bereiche im antarktischen Untergrund

Blick unter die Eisdecke entlang des Transantarktischen Gebirges in Richtung antarktische Halbinsel, westlich davon das Westantarktische Grabensystem. Blaue Bereiche liegen unterhalb des Meeresspiegels. © Bedrock Consortium

Gluthitze unter der Eisdecke: Das Gestein tief unter der Antarktis ist stellenweise überraschend heiß. Geophysiker nehmen an, dass die Hitze auf tektonische Aktivität zurückgeht, die noch nicht lange zurückliegt. Darauf deuten seismologische Daten hin, nachdem die nötigen Messgeräte erstmals einen antarktischen Winter überstanden haben. Die Funde könnten nicht nur die rätselhaften Vulkane der Antarktis erklären, sondern auch zukünftige Modelle über die Eisströme verbessern.

Im Zusammenhang mit der Antarktis denken wir vor allem an Eis, Schnee und klirrende Kälte. Vulkane gehören nicht zum typischen Bild des Kontinents am Südpol. Dennoch gehört Vulkanismus fest zum Landschaftsbild der Antarktis: Im Krater des Mount Erebus blubbert einer der wenigen aktiven Lavaseen der Erde, und auch unter dem Eis schlummern viele Vulkane.

Seismische Karte aus Erdbebenwellen

Die Quelle dieses Vulkanismus war jedoch bislang weitgehend unerforscht: Tiefe Einblicke in den Erdmantel, wo das in Vulkanen zutage tretende flüssige Gestein seinen Ursprung hat, gewinnen Wissenschaftler anhand von Erdbebenwellen, die durch die Erde laufen. In der Antarktis gab es jedoch bis vor wenigen Jahren keine Seismometer, die den niedrigen Temperaturen standhalten und diese Wellen aufzeichnen konnten. Die Eisdecke und das antarktische Wetter machen direkte Beobachtungen vor Ort praktisch unmöglich.

„Unser Verständnis, was dort vor sich geht, ist wirklich eingeschränkt, weil wir die Geologie nicht sehen können“, sagt Andrew Lloyd von der Washington University in St. Louis. „Wir müssen uns an geophysikalische Methoden halten wie Seismologie.“ Im Süd-Sommer von 2009 bis 2010 haben Lloyd und Kollegen darum Seismometer platziert, die auch in der Antarktis Informationen über den tiefen Untergrund aufzeichnen können. Bei einer erneuten Expedition zwei Jahre später sammelten die Forscher die gewonnenen Daten ein. Anhand der Vibrationen ferner Erdbeben im Zeitraum von 2010 bis Anfang 2012 erstellten sie dann eine seismische Karte des Westantarktischen Grabenbruches.

Wissenschaftler an einem der Seismometer (orange Kuppel) in einer Antarktis-Region mit starkem Schneefall. © Mike Roberts

Widersprüchliche Vulkanketten

Unter dem Mount Sidley, dem höchsten Vulkan der Antarktis, entdeckten die Forscher anhand dieser Daten einen riesigen Klumpen heißer Magma in fast hundert Kilometern Tiefe. Der Mound Sidley ist der südlichste Vulkan in einer Kette, die sich durch das Marie Byrd Land an der antarktischen Westküste zieht. „Eine Kette von Vulkanen deutet auf einen Mantelplume hin, wie ein Schneidbrenner unter der tektonischen Platte“, sagt Koautor Doug Wiens von der Washington University. „Die Vulkane tauchen in einer Reihe auf, während die Platte darüber hinweg zieht.“

„Aber es ist etwas unklar, ob das hier passiert“, so der Forscher weiter. Denn die Richtung der Vulkankette passt nicht zur Bewegung der antarktischen Platte: „Wir glauben, dass wir wissen, in welche Richtung die Platte sich bewegt, aber die Vulkankette zeigt in eine andere Richtung“, sagt Wiens, „und zwei weitere nahegelegene Vulkanketten gehen in noch andere Richtungen.“

Überraschung unter dem Bentleygraben

Überraschend war außerdem ein heißer Bereich, den die Wissenschaftler tief unter dem subglazialen Bentleygraben ausmachten. Dieses Becken gehört zum System des Westantarktischen Grabenbruches, welches sich westlich an das Transantarktische Gebirge anschließt. Die Erdkruste ist an dieser Stelle stark ausgedünnt. „Der Bentleygraben, der niedrigste Punkt der Erde, der nicht von Ozean bedeckt ist, läge eineinhalb Kilometer unter dem Meeresspiegel, wenn das Eis verschwände“, sagt Lloyd.

Wie tektonisch aktiv dieser Grabenbruch heute noch ist, war bislang unbekannt: Unter dickem Eis verdeckt, ließ er sich bislang nicht direkt erkunden. „Wir haben keine Erdbeben aufgezeichnet, also glauben wir nicht, dass der Bruch jetzt noch aktiv ist“, sagt Wiens. „Aber die Hitze deutet darauf hin, dass die Aktivität erst vor recht kurzer Zeit aufgehört hat.“ Erstautor Lloyd fügt hinzu: „Wenn es dort noch heiß ist, könnte es auch unter anderen Becken des Grabensystems heiß sein.“

Viermal höherer Wärmefluss unter dem Eis

Der Grabenbruch hat auch großen Einfluss darauf, wie die Gletscher der Westantarktis strömen. „Grabenbruch und Eisstrom ereignen sich in völlig unterschiedlichen zeitlichen Maßstäben, also wird der Bruch nicht plötzlich die Eisdecke instabil machen.“, sagt Lloyd. „Aber um genau zu modellieren, wie das Eis fließen wird oder das Gestein sich hebt, müssen wir die Rahmenbedingungen für Eismodelle verstehen, so wie den Wärmefluss aus dem Erdmantel.“

Diesen Wärmefluss haben Forscher bereits an über 34.000 Stellen auf der Erde gemessen, aber nur weniger als ein Dutzend Messpunkte liegen in der Antarktis. Im Juli 2015 stellten Forscher überrascht fest, dass der Wärmefluss an einem dieser Punkte viermal höher war als der weltweite Durchschnitt – ohne jede Erklärung. „Kürzliche Ausdehnung im subglazialen Bentleygraben könnte diese Messungen erklären“, meint Wiens. (Journal of Geophysical Research: Solid Earth, 2015; doi: 10.1002/2015JB012455)

(Washington University in St. Louis, 10.12.2015 – AKR)

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