Die Suche nach Gravitationswellen geht weiter: In wenigen Tagen startet die Raumsonde LISA Pathfinder, die wichtige Technologien für den Nachweis der schwer fassbaren Wellen testen soll. Die Systeme der Sonde können Distanzen auf ein Millionstel der Dicke eines Haares genau messen und ihre Experimente gegen alle äußeren Störfaktoren abschirmen. Gelingt dieser Test, ist dies ein wichtiger Schritt zu einem Weltraumobservatorium für Gravitationswellen.
Gravitationswellen sind so etwas wie ein heiliger Gral der Astrophysik: Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie sagt voraus, dass sie existieren müssen, doch beobachtet hat sie noch niemand. Gewaltige kosmische Ereignisse wieverschmelzende Schwarze Löcher oder Sternenexplosionen lassen der Theorie zufolge die Raumzeit Wellen schlagen, ähnlich wie ein in einen Teich geworfener Kiesel Wellen über die Wasseroberfläche schickt. Solche Gravitationswellen sind jedoch bislang nur indirekt nachweisbar. Detektoren auf der Erde, die die Laufzeiten von Laserpulsen über hunderte von Metern miteinander vergleichen und so kleinste Verformungen der Raumzeit direkt messen sollen, hatten bislang keinen Erfolg.
Winzige Verzerrungen der Raumzeit
Da die Schwerkraft und das Magnetfeld der Erde den direkten Nachweis von Gravitationswellen erschweren, soll nun die ESA-Raumsonde LISA Pathfinder im Weltraum dabei helfen. Mit der Technologie an Bord der Sonde wollen Wissenschaftler zunächst herausfinden, ob ein solcher Nachweis überhaupt technisch machbar ist: „Diese winzigen Verzerrungen der Raumzeit erfordern eine sehr empfindliche und hochpräzise Messtechnologie, deren Leistung nur im Weltraum frei von äußeren Störungen getestet werden kann,“ sagt François Auque von der Entwicklerfirma Airbus Defence and Space.
Das LISA-Technologiepaket besteht aus einem Laserinterferometer und zwei hochpräzise gefertigten, 1,96 Kilogramm schweren Würfeln aus einer Gold-Platin-Legierung. Die Würfel dienen als Testmassen, während das Interferometer den Abstand zwischen ihnen in bisher unerreichter Genauigkeit misst. Das Gerät soll Unterschiede im Pikometerbereich erfassen, also weniger als ein Millionstel der Dicke eines menschlichen Haares.
Das Besondere dabei ist, dass die beiden Würfel während des Experimentes frei in einem Abstand von rund 40 Zentimetern schweben werden, sobald sie aus ihren Halterungen befreit sind. Frei von jeglichen Störfaktoren befinden sie sich dann in freiem Fall, der ausschließlich durch die Schwerkraft beeinflusst wird.
Völlig neuer Blick auf das Universum
Zu diesem Zweck testen die Wissenschaftler auch zwei verschiedene Mikroantriebe an Bord der Sonde. Jedes dieser Triebwerke ist so schwach, dass es gerade mal eine Schneeflocke am Niedersinken hindern könnte. LISA Pathfinder soll mit diesen Antrieben zum Beispiel der Sonneneinstrahlung entgegensteuern und störende Bewegungen von außen ausgleichen, damit die Bewegung der Testwürfel unverfälscht bleibt.
Wenn all diese Technik einwandfrei funktioniert, ebnet LISA-Pathfinder möglicherweise den Weg zu neuen Forschungsmethoden: Bisherige Teleskope nutzen praktisch ausschließlich elektromagnetische Wellen verschiedenster Wellenlängen, von Radiowellen bis Röntgenstrahlung. Ein Weltraumobservatorium, das Gravitationswellen nutzt, könnte darum einen völlig neuen Blick auf das Universum ermöglichen. Geplant ist dazu ein Ensemble aus drei Raumsonden, die ein riesiges Dreieck bilden und ihre Positionen gegenseitig auf das Genaueste mit Lasern bestimmen.
Raumsonden-Start für Frühaufsteher
Der Start der fast zwei Tonnen schweren Sonde vom ESA-Raumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ist für den 2. Dezember 2015 um 5:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit geplant. Nach mehreren Korrekturmanövern wird LISA Pathfinder gegen Ende Januar 2016 ihren Bestimmungsort erreichen, den ersten Lagrange-Punkt zwischen Erde und Sonne. Die wissenschaftlichen Experimente finden im Abstand von 500.000 bis 800.000 Kilometern in einer Umlaufbahn um diesen Punkt statt.
Interessierte Frühaufsteher können den Start live verfolgen: Die ESA wird einen Livestream einrichten und den Start über die Twitter-Accounts @esaoperations, @ESA_LPF und @ESA unter dem Hashtag #LISAPathfinder kommentieren.
(ESA / Airbus, 30.11.2015 – AKR)