Archäologie

Syphilis doch nicht von Kolumbus eingeschleppt?

Über 600 Jahre alte Skelette aus Österreich zeigen bereits Syphilis-Symptome

Bei der Ausrabung in St-Pölten entdecktes Skelett © MedUni Wien

Überraschend alte Infektion: Die Syphilis trat in Europa schon im vierzehnten Jahrhundert auf – lange bevor Christoph Kolumbus zu seiner ersten Amerikareise in See stach. Darauf deuten Skelettfunde aus Österreich hin, an denen Wissenschaftler deutliche Symptome der Geschlechtskrankheit fanden. Die bisherigen Theorien zum Auftreten der Syphilis in Europa müssten daher überdacht werden, meinen die Forscher.

Eine neue Krankheit breitete sich ab 1495 in Europa aus: die Syphilis. Nach gängiger Theorie sollen Christoph Kolumbus und seine Mannschaft die Geschlechtskrankheit von seiner ersten Amerikareise eingeschleppt haben. Die wegen ihrer vielen unterschiedlichen Symptome auch als „Chamäleon der Medizin“ bezeichnete Infektionskrankheit etablierte sich daraufhin in Europa. In unserer Zeit gilt die Syphilis dank Antibiotika als praktisch besiegt, in den letzten Jahren trat die Krankheit jedoch wieder vermehrt auf.

Syphilis schon vor 1390

Dem Seefahrer Kolumbus und seiner Expedition die alleinige Schuld an der Syphilis in Europa zuzuweisen, ist jedoch offenbar voreilig: Forscher um Karl Großschmidt und Fabian Kanz von der Medizinischen Universität Wien haben bei archäologischen Ausgrabungen Anzeichen mehrerer Fälle von Syphilis gefunden, die sich mehr als hundert Jahre vor Kolumbus‘ Amerikareise ereigneten. „Damit ist die bisherige These schwer in Frage zu stellen“, meinen die Wissenschaftler.

Bei Grabungen am Domplatz im österreichischen St. Pölten, etwa 60 Kilometer westlich von Wien, stießen die Forscher auf mehrere Skelette aus dem 14. Jahrhundert. Diese zeigen Symptome der sogenannten kongenitalen Syphilis, die von der schwangeren Mutter auf das ungeborene Kind übertragen wird. Die Wissenschaftler datieren diese Skelette die Zeit zwischen 1320 und 1390.

Verformte Zähne deuten auf Syphilis hin

Besonders am Gebiss lässt sich die Infektion erkennen: „Wir konnten die so genannten Hutchinson-Zähne mit zentralen Einkerbungen und konvergierenden Rändern sowie die Maulbeer- oder Knospenform bei Mahlzähnen nachweisen, die charakteristisch für die Syphilis sind“, erklären die Studienautoren. Dünnschliffe von Knochen und Zähnen zeigten unter dem Mikroskop ebenfalls typische Anzeichen einer Syphilis-Infektion.

Erreger der Syphilis spiralförmige Bakterien der Art Treponema pallidum. © CDC / gemeinfrei

In einem nächsten Schritt wollen die Forscher das unerwartet frühe Auftreten der Syphilis auch mit molekularbiologischen Methoden bestätigen. Die DNA der Syphilis-Erreger zerfällt zwar relativ schnell, Überreste typischer Proteine aus den Bakterien könnten sich jedoch noch nachweisen lassen.

Infektionsspuren an menschlichen Überresten sind meist die einzige Möglichkeit, Herkunft und Geschichte alter Krankheiten zu rekonstruieren. Der Fundort am Domplatz von St. Pölten bietet dafür aufsehenerregende Möglichkeiten: Bei Grabungen an dem uralten Friedhof legten Archäologen bereits über 9.000 Skelette frei, deren Herkunft vom neunten bis zum achtzehnten Jahrhundert reicht. (Journal of Biological and Clinical Anthropology, 2015; doi: 10.1127/anthranz/2015/0504)

(Medizinische Universität Wien, 24.11.2015 – AKR)

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