Feuriges Ende: Über dem Indischen Ozean geht heute früh ein Meteor der besonderen Art nieder. Es handelt sich um ein Stück Weltraumschrott, das erst vor wenigen Wochen entdeckt wurde. Das mehrere Meter große, vermutlich hohle Objekt könnte Teil einer alten, abgebrannten Antriebsstufe einer Rakete sein, so die Vermutung der Forscher. Spannend daran: Dies ist das erste Stück Weltraumschrott, dessen Wiedereintritt vorhergesagt und daher nun genau beobachtet werden kann.
In der Umlaufbahn unseres Planeten kreisen Millionen von größeren und kleineren Trümmerstücken: Neben ausgebrannten Raketenstufen, Treibstofftanks oder ausrangierten Satelliten sind dies Myriaden von kleineren Objekten, die bei Reparaturarbeiten im Orbit wegflogen oder durch Kollision größerer Teile entstanden.
Zufalls-Entdeckung durch Asteroidenjäger
Das Problem dabei: Die Bahnen dieser Schrotteile sind meist chaotisch, werden durch weitere Kollisionen ständig verändert und lassen sich daher kaum überwachen. Vorherzusagen, wann und wo ein solches Schrottteil wieder in die Atmosphäre ist nahezu unmöglich. Doch im Falle des Objekts WT1190F ist es nun erstmals gelungen, weil Astronomen es früh genug entdeckt haben und seine Bahn ermitteln konnten.
Entdeckt wurde WT1190F am 3. Oktober durch die Teleskope des Catalina Sky Survey (CSS), einem Projekt, das nach potenziell bedrohlichen Asteroiden und Kometen Ausschau hält. Durch die Suche in Beobachtungsdaten früherer Jahre gelang es den Astronomen, die Bahn dieses Objekts zu ermitteln. Schnell wurde dabei klar, dass es sich weder um einen Asteroiden noch einen Kometen handeln konnte. Aber was war es dann?
Ungewöhnliche Flugbahn
Der größte Teil des Weltraumschrotts umkreist die Erde in annähernd kreisförmigen oder nur leicht elliptischen Bahnen. WT1190F weist demgegenüber einen ungewöhnlich exzentrischen Orbit auf, wie die Astronomen berichten: Der erdfernste Punkt seiner Bahn liegt doppelt so weit von unserem Planeten entfernt wie der Mond – warum, ist bisher rätselhaft. „Es ist ein verlorengegangenes Stück Weltraumschrott, das nun zurückgekehrt ist um uns heimzusuchen“, kommentierte Jonathan McDowell vom Harvard–Smithsonian Center for Astrophysics in „Nature News“.
Weitere Beobachtungen enthüllten, dass WT1190F wahrscheinlich nur rund zwei Meter groß ist und nicht sonderlich massiv. „Experten für erdnahe Objekte haben ermittelt, dass das Objekt eine weitaus geringere Dichte besitzt als das Gesteinsmaterial, aus dem die meisten Asteroiden bestehen“, erklärt Detlef Koschny vom Space Situational Awareness (SSA) Programm der ESA. „Die Dichte spricht für ein hohles Bauteil, wie beispielsweise die ausgebrannte Oberstufe einer Rakete oder einem Fragment davon.“
Verhalten beim Verglühen noch unklar
Anhand der Bahndaten prognostizieren die Forscher, dass WT1190F am 13. November gegen halb acht Uhr früh unserer Zeit über dem Indischen Ozean, rund 65 Kilometer südlich von Sri Lanka abstürzen wird. Das mit rund zehn Kilometern pro Sekunde durch die Atmosphäre rasende Schrotteil wird beim Verglühen hell aufleuchten und vor Ort sogar am Tageshimmel deutlich sichtbar sein.
Weil das Objekt eher klein und wenig massiv ist, gehen die Forscher davon aus, dass es bei seinem Wiedereintritt größtenteils in der Atmosphäre verglühen wird. „Wir wissen aber nicht, was es ist, daher wissen wir auch nicht, wie es zerbrechen wird“, erklärt Nick Moskovitz vom Lowell Observatory in Arizona. „Ein Teil eines Sonnensegels beispielsweise verhält sich anders als ein Treibstofftank. Insofern besteht durchaus die Möglichkeit, dass ein Fragment es bis zum Boden schafft – ich halte es aber eher für unwahrscheinlich.“
„Einmalige Chance“
Für die Experten für Weltraumschrott ist dieser Absturz eine einmalige Gelegenheit, ein Trümmerteil dieser Größe gezielt beim Verglühen zu beobachten. „Das ist wie ein kontrolliertes Experiment“, sagt Moskovitz. „Die Beobachtungen werden uns helfen, besser zu verstehen, wie die Erdatmosphäre das durch sie hindurchfliegende Material verändert.“ Die Forscher werden den Flug von WT1190F mit Hilfe von Messinstrumenten und Teleskope verfolgen, die sie auf Schiffen in der Nähe der wahrscheinlichen Absturzstelle installiert haben.
Aus den dabei gewonnenen Daten könnte sich in Zukunft besser ermitteln lassen, ob ein kleiner Meteorit oder ein Stück Weltraumschrott eine Gefahr bedeutet oder nicht. Solche Gelegenheiten sind rar, wie die Forscher betonen. Denn zum einen sind Ereignisse dieser Art normalerweise nicht vorhersagbar, zum anderen gibt es bisher auch kaum Gelder dafür, die Bahnen von Weltraumschrott in größerem Umfang zu kartieren oder zu überwachen.
(ESA/ Lowell Observatory, 13.11.2015 – NPO)