Peilgerät mit Starkstromschlägen: Zitteraale benutzen ihre bis zu 600 Volt starken Entladungen nicht nur als Jagdwaffe, sondern auch zur Orientierung. Diese Peilfunktion war bislang nur von schwächeren Strompulsen bekannt, die die Fische erzeugen. Experimente zeigen jedoch: Auch mit Hochspannung können Zitteraale Beute aufspüren, und sogar mit höherer Reichweite. Die ungewöhnliche Doppelfunktion als Waffe und Sensormechanismus beschreiben Biologen im Fachmagazin „Nature Communications“.
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Zitteraale sind bekannt für die starken Stromschläge, mit denen sie ihre Jagdbeute bewegungsunfähig machen: Spannungen von über 600 Volt können die Fische mit ihren elektrischen Organen erzeugen. Ein Beutetier in der Nähe verfällt dadurch in unkontrollierte Krämpfe, und der Aal hat leichtes Spiel.
Je nach Situation produzieren die Zitteraale jedoch auch schwächere Impulse, mit denen sie sich orientieren können. Mit Hilfe von Elektrorezeptoren merken sie, wenn das von ihnen produzierte elektrische Feld durch Objekte in der Nähe verändert wird. Sie können die Störquelle lokalisieren und sich auf diese Weise ein Bild von ihrer Umgebung machen.
Siebter Sinn identifiziert leitfähige Lebewesen
Doch für diese Sinneswahrnehmung der Zitteraale sind offenbar auch die starken Ladungen wichtig, wie Kenneth Catania von der Vanderbilt University in Nashville im US-Bundesstaat Tennessee herausgefunden hat. Im Experiment setzte der Biologe Zitteraalen bereits tote Beutefische vor, die aber so präpariert waren, dass sie zuckten, wenn ein elektrischer Strom durch sie floss.
In diesen Experimenten zeigte sich: Zitteraale sind mithilfe ihrer Hochspannungssalven in der Lage, Beutetiere zu finden und zu verfolgen. Das funktioniert sogar dann, wenn zusätzliche Sinne keine Unterstützung leisten – zum Beispiel weil Dunkelheit die Sicht einschränkt oder die Beute sich nicht bewegt.
Allein durch diesen siebten Sinn können Zitteraale demnach Lebewesen als elektrische Leiter identifizieren und orten. Die Starkstrom-Entladungen dienen demnach sowohl als Waffe, dienen aber gleichzeitig auch der schnellen sowie präzisen Ortung von Beutetieren, wie herausgefunden hat. „Diese zweite Funktion der Hochspannungsimpulse ist bisher übersehen worden“, sagt der Biologe.
Exzellente Jäger, einzigartige Sensorik-Spezialisten
Im Gegensatz zu den schwachen Entladungen hat die Elektroortung mithilfe der Hochspannung laut Catania eine größere Reichweite – ein nützlicher Vorteil bei der Verfolgung schneller Beutefische. Hat ein Zitteraal sein Ziel mit dem ersten Angriff nicht getroffen, kann er die fliehende Beute simultan orten und weiterhin versuchen, sie zu immobilisieren. Catania vergleicht dieses Jagdverhalten mit dem von Fledermäusen. Diese setzen Echoortung ein, um beispielsweise Insekten aufzuspüren. Dabei stoßen sie Rufe von immer höher werdenden Frequenzen aus, je näher sie ihrer Beute kommen. Das macht eine exakte Lokalisierung möglich.
Die Fähigkeit Beute gleichzeitig zu orten und bewegungsunfähig zu machen, sei eine ungewöhnliche Doppelfunktion der bisher nur als Waffe berüchtigten Hochspannungsstromschläge, schreibt Catania. „Zitteraale sind damit nicht nur exzellente Jäger, sondern auch einzigartige Sensorik-Spezialisten.“ (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms9638)
(Nature Communications, 21.10.2015 – DAL)