Nur scheinbar unmöglich: Forscher haben einen Chip konstruiert, in dem Licht unendlich schnell wird – seine Phasengeschwindigkeit übertrifft sogar die Lichtgeschwindigkeit. Dies gelingt, weil ein Metamaterial den Lichtstrahl auf spezielle Weise manipuliert. Der große Vorteil: Ein solcher Chip kann das Licht verformen, quetschen oder sonstwie manipulieren, ohne dass dieses beim Übertragen Energie verliert, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Photonics“ berichten.
Eigentlich kann in unserem Raum-Zeit-Gefüge nichts schneller sein als das Licht: Die Lichtgeschwindigkeit ist eine Naturkonstante, wie wir seit Einsteins Relativitätstheorie wissen. Dass diese aber weniger absolut ist, als man seither dachte, belegen Experimente, in denen Forscher das Licht abbremsen, für kurze Zeit stopppen oder sogar in den Rückwärtsgang zwingen.
Phasengeschwindigkeit schneller als die Lichtgeschwindigkeit
Aber es geht noch seltsamer: Unter bestimmten Bedingungen kann das Licht schneller werden als die Lichtgeschwindigkeit. Das klingt unmöglich, ist aber kein Widerspruch zu Einstein, weil es in diesem Falle nicht um die Gesamtgeschwindigkeit des Lichts geht, sondern um die Phasengeschwindigkeit – das Tempo, mit dem sich ein einzelner Wellenberg bewegt. Dieses entspricht zwar im Vakuum der Lichtgeschwindigkeit, in bestimmten Materialien aber kann die Phasengeschwindigkeit abweichen.
Einen Extremfall davon haben nun Yang Li von der Harvard University und seine Kollegen entwickelt: Einen Chip aus einem Metamaterial, dessen Brechungsindex gleich Null ist. „Wenn dies der Fall ist, dann wird die Phasengeschwindigkeit unendlich“, erklären die Forscher. „An diesem extremen Limit wird die Wellenlänge im Material unendlich groß und die Phase ist überall konstant.“ Die Wellenberge und Täler dieses Lichts oszillieren nur noch in der Zeit, nicht aber im Raum.
Silizium-Säulen im Polymer
Der neuartige Chip besteht aus einer quadratischen Fläche eines speziellen Polymers, in das winzige Silizium-Säulchen eingebettet sind. Jede Säule ist 690 Nanometer hoch und 211 Nanometer dick. Oberhalb und unterhalb dieser lichtleitenden Schicht dient eine Goldauflage als Begrenzung. Ein Silizium-Wellenleiter führt den Lichtstrahl in dieses Metamaterial hinein. „Dieser Chip kann dadurch mit Standard-Komponenten photonischer Chips und Leiter verbunden werden“, so die Forscher.
Dieser eigentlich simple Aufbau reicht aus, um das Licht auf neuartige Weise zu manipulieren: Licht mag es normalerweise nicht, gequetscht oder manipuliert zu werden“, erklärt Seniorautor Eric Mazur von der Harvard University. „Aber dieses Metamaterial erlaubt es, Licht zu quetschen, bieten, zu verdrehen und den Durchmesser eines Strahls vom makroskopischen in den Nanobereich zu verkleinern.“
Manipulation ohne Energieverlust
Der Clou dabei: All diese Manipulationen sind möglich, ohne dass das Licht dabei seine Energie verliert. „Bisherige optische Schaltkreise werden durch die schwache und ineffektive Energieerhaltung der konventionellen Silizium-Wellenleiter gehemmt“, erklärt Li. „Das Metamaterial mit Null-Brechungsindex sorgt dagegen durch seine hohe innere Phasengeschwindigkeit für volle Übertragung – egal wie das Material konfiguriert ist.“
Ein weiterer Vorteil: Das Metamaterial lässt sich mit herkömmlichen Verfahren relativ leicht und in viele Varianten herstellen, wie die Forscher betonen. Zudem ist es problemlos mit konventionellen integrierten optischen Schaltkreisen kombinierbar. Es könnte daher schon jetzt in bestehende Systeme integriert werden.
Der neuartige Chip ermöglicht eine ganze Reihe von neuen Anwendungen, von Oberflächen-emittierenden Lasern über neuartige Kopplungsformen elektromagnetischer Strahlung bis hin zur besseren Verschränkung von selbst weit entfernten Quantenbits. „Dieses on-Chip-Metamaterial eröffnet uns einen Weg, die Physik des Null-Brechungsindexes du seine Anwendungen zu erkunden“, so Mazur. (Nature Photonics, 2015; doi: 10.1038/nphoton.2015.198)
(Harvard University, 20.10.2015 – NPO)