Buchstäblich in Luft aufgelöst: Forscher haben herausgefunden, warum einige Gebiete der Ostantarktis wie von Schnee leergefegt erscheinen: Der frisch gefallene Schnee wird nicht vom Wind verweht, wie man bisher dachte – er verwandelt sich direkt in Dampf. Gut 90 Prozent des Schnees verschwindet dort regelmäßig durch diese Sublimation, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten.
Schnee gibt es in der Antarktis reichlich sollte man meinen. Aber für einige Gebiete der Ostantarktis gilt dies nicht: Dort verschwindet der Schnee immer wieder schon kurz nachdem er gefallen ist. Bisher dachte man, dass der Wind an diesem Phänomen schuld ist: In diesen Gebieten wehen starke, oberflächennahe Winde von den steilen Hängen des Polplateaus in die Küstenniederungen hinab. Sie wirbeln den Schnee auf und tragen ihn fort, um ihn dann an anderer Stelle wieder abzulagern – so jedenfalls die Theorie.
Das Seltsame aber: Von dem einmal aufgewirbelten Schnee fand sich nirgendwo mehr eine Spur. Schneeverwehungen oder Gebiete, in denen die Flocken wieder deponiert wurden, gab es nicht. Wo aber war der Schnee geblieben? Indrani Das vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University und ihre Kollegen haben diesen seltsamen Fall der verschwunden Schnees nun eingehend untersucht – und gelöst.
Sublimation verwandelt Schnee in Dampf
Wie die Forscher herausfanden, löst sich der Schnee an diesen Stellen buchstäblich in Luft auf. Die heftigen Böen der Fallwinde erzeugen Bedingungen, die den Schnee verdampfen lassen. Er sublimiert und überspringt damit das Schmlezen und den flüssigen Zustand nahezu komplett. „Der Masseverlust der Schneedecke wird von der Sublimation dominiert“, erklären Das und ihre Kollegen. „Der Schnee wird dann als Wasserdampf vom Wind wegtransportiert.“
Eine solche Sublimation von Wassereis kann selbst bei frostigen Temperaturen stattfinden, wenn der Luftdruck niedrig genug ist – und dafür sorgt der enorme Sog der Winde an diesen Stellen. Ähnliche Übergänge von Eis zu Dampf sind auch aus einigen tropischen Eishöhlen bekannt, aber auch von kalten Himmelskörpern mit kaum oder keiner Atmosphärewie dem Mars oder dem Saturnmond Iapetus.
90 Prozent lösen sich auf
Mindestens 90 Prozent des in der Ostantarktis verschwindenden Schnees löst sich auf diese Weise in Dampf auf, so die Forscher. Nur ein kleiner Rest wird als Schnee verweht und anderswo deponiert. Insgesamt gehen so in den vom Wind freigefegten Flächen 54 Kilogramm Schnee pro Quadratmeter und Jahr verloren. Das aber bedeutet, dass diese Menge auch aus der Eis- und Schneebilanz der Antarktis verschwindet.
Und das hat Folgen auch für die Klimamodelle und -prognosen. Denn bisher haben Vorhersagen zum Eisverlust in der Antarktis die Sublimation nicht berücksichtigt. Sie verbuchten den weggefegten Schnee daher nicht als Verlust, sondern gingen davon aus, dass er irgendwo anders schon wieder auftauchen wird. Wie Das und ihre Kollegen ausrechneten, haben die Modelle deshalb den Eisnachschub in diesen Gebieten der Ostantarktis um mindestens sieben Prozent überschätzt.
Die Klimamodelle müssen nun entsprechend nachgerüstet werden, so die Forscher. Denn ein Teil des jährlichen Schneefalls werde durch die Sublimation komplett aus der Gleichung herausgenommen. (Geophysical Research letters, 2015; doi: 10.1002/2015GL065544)
(Livescience, 19.10.2015 – NPO)