Neurobiologie

Frauen empfinden negative Gefühle stärker

Schwächere Verknüpfung zweier Hirnareale dämpft rationale Verarbeitung

Eine Verknüpfung im Gehirn beeinflusst, wie unmittelbar ein Mensch auf negative Gefühle reagiert. © monkeybusiness/ iStock.com

Die Verknüpfung ist schuld: Frauen reagieren stärker auf negative Gefühle als Männer – sowohl im subjektiven Empfinden als auch neuronal. Denn ihre „Angstzentrale“ im Gehirn ist schwächer mit dem rationalen, präfrontalen Cortex verknüpft als bei Männern, wie Forscher herausgefunden haben. Je niedriger der Testosteronspiegel, desto schwächer ist demnach diese Verbindung. Das könnte auch erklären, warum Frauen anfälliger für Depressionen und Angststörungen sind.

Frauen gelten oft als das emotionalere Geschlecht. So erinnern sie sich besser an gefühlsintensive Eindrücke erinnern und lassen sich durch schlechte Nachrichten stärker stressen als Männer. Zudem leiden Frauen häufiger unter Depressionen Aber woran liegt das? Und lässt sich die unterschiedliche Reaktion der Geschlechter auf Emotionales auch am Gehirn festmachen?

Frauen reagieren stärker auf Trauer und Angst

Um das zu testen, führten Adrianna Mendrek und ihre Kollegen von der University of Montreal ein Experiment im Hirnscanner durch. Sie zeigten dafür 25 Frauen und 21 Männern Bilder mit unterschiedlichem emotionalen Gehalt – von fröhlich und lustig über neutral bis zu furchteinflößend oder traurig. Währenddessen zeichneten sie die Hirnaktivität der Versuchspersonen mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) auf und baten die Teilnehmer, die durch die Bilder geweckten Gefühle zu beschreiben.

Tatsächlich zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Zum einen stuften die Frauen die Bilder, die Trauer, Angst oder Wut darstellten, negativer ein als die Männer – sie empfanden die negativen Emotionen stärker. Diese Sensibilität war dabei umso ausgeprägter, je mehr weibliche Hormone und je weniger Testosteron das Blut der Probanden enthielt, wie die Forscher berichten.

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Neuronale Verknüpfung bei Männern stärker

Diese Unterschiede spiegelten sich auch in den Gehirnen wieder: Bei beiden Geschlechtern waren zwar ein Teil des präfrontalen Cortex und die Amygdala aktiv, wenn sie die Bilder betrachteten. Die Amygdala gilt als Gefühls- und Angstzentrum des Gehirns, sie reagiert vor allem auf potenziell bedrohliche Reize. Der präfrontale Cortex ist dagegen die Vernunftzentrale: Hier werden Eindrücke und Emotionen rational bewertet und soziale Situationen eingeordnet.

Das Auffallende: Bei den Frauen war die Verbindung zwischen diese beiden Hirnarealen deutlich schwächer als bei den Männern. „Das ist die wichtigste und interessanteste Beobachtung unserer Studie“, sagt Koautor Stéphane Potvin. „Denn die stärkere Verbindung zwischen diesen Arealen bei den Männern spricht dafür, dass sie einen eher analytischen als emotionalen Ansatz gegenüber negativen Gefühlen haben.“

Testosteron stärkt rationale Distanz

Frauen reagieren demnach tatsächlich sensibler und emotionaler auf negative Gefühle, weil sie unmittelbarer auf den Gefühlsgehalt der Eindrücke reagieren. „Männer dagegen bleiben distanzierter, weil sie die emotionalen Reize und ihre Wirkung stärker rational analysieren“, sagt Potvin. Dabei ist diese unterschiedliche Herangehensweise keineswegs bewusst, sondern ein Effekt der verschieden engen Verknüpfung zweier Hirnareale.

Die Analyse der Hormonspiegel ergab zudem, dass präfrontaler Cortex und Amygdala umso enger verknüpft waren, je höher der Testosterongehalt der Probanden war. Das galt sowohl zwischen Männern und Frauen als auch innerhalb der Geschlechter, wie die Forscher betonen. „Es gibt demnach sowohl biologische als auch kulturelle Faktoren, die unsere Sensibilität für negative Gefühle beeinflussen“, sagt Mendrek. Ihrer Ansicht nach könnte die Wirkung der Hormone auf die Verarbeitung von Gefühlen im Gehirn könnte auch erklären, warum Frauen häufiger an Depressionen und Angststörungen erkranken als Männer. (Psychoneuroendocrinology, 2015; doi: 10.1016/j.psyneuen.2015.08.012)

(University of Montreal, 25.09.2015 – NPO)

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