Exotischer Ursprung: Der Kontinentalsockel vor der chinesischen Küste gehörte ursprünglich nicht zu China. Chinesische Geologen haben Hinweise auf Überreste einer tektonischen Platte gefunden, die dort bei der Subduktion stecken blieb. Diese Platte bildet nun das Fundament des chinesischen Kontinentalschelfs. Zuvor zwang sie aber die gesamte pazifische Platte in eine neue Richtung und prägte so einen großen Teil der Geologie im Westpazifik, meinen die Forscher.
Ein Kontinent endet nicht direkt an der Küste: Davor erstreckt sich der sogenannte Kontinentalschelf. Hier ist das Meer noch relativ flach, bevor der Meeresboden am Kontinentalhang in die Tiefsee abfällt. Der Sockel des Schelfs gehört geologisch zu derselben Landmasse wie der Kontinent selbst, so die anerkannte Ansicht.
Verräterische Granitproben
Doch es scheint Ausnahmen von dieser Regel zu geben: Der Sockel des Kontinentalschelfs an der Küste von China war offenbar ursprünglich nicht Teil des Kontinents. Stattdessen stieß an dieser Stelle eine relativ kleine ozeanische Platte oder ein Mikrokontinent vor rund 190 Millionen Jahren auf die Kante des heutigen Ostasien, meint eine Gruppe von Geologen um Yaoling Niu vom Institut für Ozeanografie in Qingdao.
Für diesen „exotischen Ursprung“ sprechen den Forschern zufolge zahlreiche Granitproben aus einem Umkreis von über tausend Kilometern entlang der Küste und mehreren hundert Kilometern tief ins Hinterland. Granit ist ein magmatisches Gestein, er entsteht also nur bei vulkanischer Aktivität. Die entscheidenden Proben stammen aus einem Zeitraum von vor 190 Millionen Jahren bis vor etwa 90 Millionen Jahren – danach tut sich eine Lücke in der Geschichte des Gesteins auf.
Zu viel Auftrieb für Subduktion
Die Geologen erklären dies folgendermaßen: Eine ozeanische Platte oder ein Mikrokontinent schob sich zunächst unter den chinesischen Kontinent. Durch den Vulkanismus dieser Subduktion entstand der verräterische Granit. Doch die zuvor unerkannte Platte verschwand nicht völlig in der Tiefe, die Subduktion stoppte vor geschätzten 100 Millionen Jahren.
Dies kann geschehen, wenn eine tektonische Platte so viel Auftrieb hat, dass sie sich schlicht nicht mehr unter eine andere Platte drücken lässt. Der Subduktionsprozess wird dann blockiert und die Platte kommt zum Stillstand. Auf diese Weise blieb auch die Mikroplatte unter der chinesischen Küste stecken. Die Reste dieser Platte bilden nun den Sockel des Kontinentalschelfs vor China.
Die südliche Teil der Grenze dieser ehemals eigenständigen Platte ist den Forschern zufolge noch erkennbar: Die ehemalige Subduktionslinie folgt dicht dem geschwungenen Verlauf der chinesischen Küste von Hongkong bis Shanghai. Wo der nördliche Teil der ehemaligen Subduktionszone verläuft, lässt sich dagegen bislang nur vermuten: Zahlreiche weitere tektonische Aktivitäten in jüngerer Zeit haben hier die deutlichen Hinweise ausgelöscht.
Folgenschwere Blockade
Denn die plötzliche Blockade des Subduktionsgrabens blieb nicht ohne Folgen: Den Forschern zufolge muss die gesamte Pazifische Platte ihre Richtung geändert haben. Während sie zuvor noch nach Nordwesten driftete, drehte diese Richtung auf Nordnordwest ab, so dass die Platte sich nun unter die Vorläufer des Kamtschatka-Grabens und des Aleuten-Grabens schob.
Dieser Schwenk in nordnordwestliche Richtung ist am nördlichen Teil der Hawaii-Emperor-Kette erkennbar. Diese Reihe von erloschenen unterseeischen Vulkanen entstand vor etwa 80 bis 40 Millionen Jahren und zieht sich vom Aleutengraben ganz im Nordwesten des Pazifik südwärts. Für diesen Zeitraum von gut 40 Millionen Jahren fehlen im westpazifischen Großraum Hinweise auf nennenswerte Subduktion oder magmatische Aktivität.
Erneuter Richtungswechsel sorgt für heutiges Bild
Erst als die Pazifische Platte erneut ihre Richtung wechselte, begann die Subduktion wieder und bildete die ozeanischen Gräben im Nordwestpazifik, die wir heute kennen. Dieser Richtungswechsel sorgte auch für den charakteristischen Knick in der Hawaii-Emperor-Kette, an dem die Emperor-Seamounts in die hawaiianische Inselkette übergehen.
Die neuen Erkenntnisse über den Ursprung des chinesischen Kontinentalschelfs wollen die Geologen mit weiteren Untersuchungen bestätigen. Bohrungen in den Sockel des Schelfs sollen dazu aussagekräftige Proben liefern. Dies soll auch dabei helfen, die tektonischen Vorgänge und damit die Entstehung des Westpazifikraumes besser zu verstehen. (Science Bulletin, 2015; doi: 10.1007/s11434-015-0891-z)
(Science China Press, 22.09.2015 – AKR)