Geowissen

3D-Blick in einen Unterwasser-Canyon

Expedition gewinnt einzigartige Einblicke in eine europäische Unterwasser-Schlucht

Wie alle Unterwasser-Canyons ist auch der Nazaré-Canyon vor Portugal bisher nur in Teilen erforscht. © HERMES

Spektakuläre Einblicke: Zum ersten Mal ist es Meeresforschern gelungen, die einzigartige Welt eines Unterwasser-Canyons dreidimensional zu kartieren. Zwei Tauchroboter lieferten dabei faszinierende Aufnahmen und Daten aus dem Whittard-Canyon vor Irland. Sie enthüllen 80 Meter hohe Strömungswellen ebenso wie skurrile Oktopusse am Grund der tiefen Meeresschlucht. Die schwer zugänglichen Meerescanyons gelten als Hotspots der Artenvielfalt, sind aber bisher kaum erforscht.

Unterwasser-Canyons graben sich hunderte und sogar tausende Meter tief in die Schelfgebiete der Kontinente ein. Einige dieser zerklüfteten Schluchten sind sogar tiefer als der Grand Canyon. Doch für die Lebenswelt im Ozean sind sie eine echtes Paradies. Denn die Kliffs und der schlammige Grund der Canyons bieten unzähligen Meerestieren einen Lebensraum. Doch für uns Menschen sind diese riesigen Kerben im Meeresgrund oft unzugänglicher als der Mount Everest. Entsprechend wenig erforscht ist diese einzigartige Welt.

150 Meter hohe Steilklippen

Jetzt jedoch ist es Meeresforschern um Veerle Huvenne vom National Oceanography Centre (NOC) in Southampton erstmals gelungen, ein detailliertes Bild eines dieser Unterwasser-Canyons zu gewinnen. Mit Hilfe von Sonardaten eines Forschungsschiffs und den Aufnahmen zweier verschiedener autonomer Tauchroboter kartierten sie den Whittard Canyon vor der Küste Irlands.

„Die Morphologie dieses Canyons ist spektakulär“, sagt Huvenne. „Wir haben Steilklippen von bis zu 150 Metern Höhe und 1,6 Kilometern Länge entdeckt.“ Solche vertikalen Klippen in einem Canyon vollständig abzubilden und zu kartieren sei bisher noch niemandem gelungen. Denn die engen, gewundenen Schluchten sind für größere Tauchroboter nicht passierbar. Zudem machen starke Strömungen den Aufenthalt in den Canyons extrem gefährlich.

Ganz nah kommt der Tauchroboter Isis hier der Steilwand im Whittard-Canyon., Blauhaie vor der Kamera des Isis-Tauchroboters im Whittard-Canyon© National Oceanography Centre, National Oceanography Centre

„Geschachtelt wie eine russische Puppe“

Die Daten setzten die Forscher zu einem Satz verschachtelter Karten zusammen, die sowohl den großen Überblock geben als auch Strukturen hinunter bis auf nur zehn Zentimeter Größe anzeigen. „Das Ganze funktioniert ähnlich wie eine russische Puppe“, erklären die Forscher. „Die detaillierteste Karte sitzt in einer mit größerem Maßstab und diese ist Teil einer noch gröberen Karte.“

Bei den Tauchgängen der Roboter zeichneten die Kameras zudem faszinierende Bilder der einzigartigen Lebenswelt im Canyon auf. „Wir sehen reiche Gemeinschaften von Kaltwasserkorallen, Muscheln, Tiefseeaustern und die mit ihnen assoziierte Faune“, beschreibt Huvenne. „Außerdem konnten wir erstaunliche Aufnahmen von Blauhaien und Schwertfischen machen, während der Isis-Roboter hinunter zu Grund des Canyons tauchte.“

Ganz nah kommt der Tauchroboter Isis hier der Steilwand im Whittard-Canyon., Blauhaie vor der Kamera des Isis-Tauchroboters im Whittard-Canyon© National Oceanography Centre, National Oceanography Centre

80 Meter Wellen und rasende Strömung

Die Tauchgänge enthülltem zudem, dass der Whittard-Canyon ein extrem dynamischer Lebensraum ist. Starke interne Strömungen lassen wahre Wasserfälle vom Schelfrand durch die Schlucht in die Tiefe rasen, wie Messungen mit einem speziellen Unterwasser-Gleiter ergaben. Diese innermeerischen Ströme reißen Unmengen an organischem Sediment mit sich, das den Tiefsee-Organismen am Ende des Canyons wertvolle Nährstoffe liefert.

„Unser Meeresgleiter hat einen fantastischen Datensatz gesammelt und hat enthüllt, dass es im Canyon interner Wellen von bis zu 80 Metern Höhe gibt“, berichtet Tahmeena Aslam von der University of Anglia. „Diese Prozesse haben wahrscheinlich einen entscheidenden Einfluss auf die Habitate und die Fauna innerhalb der Schlucht.“ Die Forscher hoffen, dass ihre Aufnahmen und die 3D-Karte dazu beitragen werden, mehr über die Artenvielfalt in diesem noch immer kaum erforschten Lebensraum der Ozeane zu erfahren.

(National Oceanography Centre, 17.09.2015 – NPO)

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