Wir verlieren den Boden unter den Füßen: Ein aktueller UN-Bericht warnt vor den schwerwiegenden Folgen der weltweiten Bodendegradation. Schon jetzt gehen gut neun Billionen Euro pro Jahr durch Erosion und Degradation der Landflächen verloren – und es wird mehr. Die Folge ist eine neue Flüchtlingswelle: 50 Millionen Menschen könnten schon in den nächsten zehn Jahren eine neue Heimat suchen, prognostizieren die Forscher.
Erst vor kurzem schlugen Forscher für Europa Alarm: Unser Kontinent verliert durch Erosion mehr fruchtbaren Boden als neu entstehen kann. Und bereits 2007 warnten Wissenschaftler vor einer Ausbreitung der Desertifikation. Der Verlust fruchtbarer Landflächen könnte noch in unserer Generation zu Massenfluchten führen, hieß es damals.
Der aktuelle UN-Bericht „Value of the Land“ bestätigt dies nun und liefert konkrete Zahlen. Für ihn hat eine Kollaboration aus 30 Forschungseinrichtungen in verschiedensten Ländern vier Jahre lang Daten zu Landnutzung, Ökologie und den vom Boden geleisteten Diensten wie Nahrung, Armutsvermeidung, sauberes Wasser oder das Recycling von Nährstoffen gesammelt und ausgewertet.
1.300 Euro pro Kopf und Jahr
Ihr Ergebnis: Jedes Jahr gehen allein durch die Bodendegradation weltweit zwischen 5,5 und 9,4 Billionen Euro an Ökosystemleistungen verloren. Auf jeden Einzelnen umgerechnet entspricht dies 770 bis 1.300 Euro pro Kopf und Jahr. „Die Bodendegradation frisst unser fruchtbares Land weg – und damit unsere Ressourcenbasis“, warnt Monique Barbut, Exekutivsekretärin der UN Konvention gegen Desertifikation.
Bereits jetzt gelten 52 Prozent aller landwirtschaftlichen Böden weltweit als mittel bis schwer degradiert, wie die Forscher berichten. Etwa ein Drittel der Böden ist akut von Degradation bedroht, ein Drittel Afrikas ist sogar in Gefahr, zur Wüste zu werden, so der Bericht. Die von schweren Dürren betroffene Landfläche hat sich in den letzten 30 Jahren bereits verdoppelt.
50 Millionen Flüchtlinge
Und noch etwas zeigt die Auswertung: Geht der Trend so weiter, wird die Bodendegradation Millionen von Menschen aus den am stärksten betroffenen Gebieten vertreiben. „Landdegradation ist einer der Faktoren, die zur Migration führen – und sie wird durch den Klimawandel noch verstärkt“, sagt Daniel Calleja Crespo von der EU-Kommission.
Schon innerhalb der nächsten zehn Jahre könnten dadurch 50 Millionen Flüchtlinge eine neue Heimat suchen. „Klimaflüchtlinge werden eine neue Herausforderung werden, wenn wir nicht schnell handeln“, so Crespo. Schon jetzt gilt beispielsweise der Bürgerkrieg in Syrien als zumindest zum Teil klimabedingt. Denn erst eine mehrjährige Dürre brachte große Teile der Landbevölkerung in die Städte, wo soziale Konflikte und Misswirtschaft letztlich politische Unruhen auslösten.
Bodenschutz hilft eine humanitäre Krise zu vermeiden
Schuld an der fortschreitenden Bodendegradation und am Verlust fruchtbarer Landflächen ist neben dem Klimawandel vor allem eine veränderte Landnutzung: Auf ihr Konto gehen 75 Prozent der Einbußen an Ökosystem-Dienstleistungen, wie die Forscher ermittelten. Das aber bedeutet auch, dass handeln noch möglich ist. Eine nachhaltigere Bewirtschaftung der Böden in der Landwirtschaft und eine naturnahe Waldwirtschaft könnten der erste Schritt sein. Zudem müsse man mehr Anreize für Bauern, Waldbesitzer und die lokale Bevölkerung schaffen, um schonender mit dem Boden umzugehen.
„Die meisten Maßnahmen haben entweder neutrale Kosten oder bringen einen Nettoprofit für die Gesellschaft und benötigen keine substanziellen Kapitalinvestitionen“, sagen die Forscher. Dazu gehören Steuererleichterungen und günstige Kredite für nachhaltige Projekte und Initiativen, aber auch Fördermaßnahmen und Zertifizierungssysteme.
Die Vorteile liegen nach Ansicht der Wissenschaftler klar auf der Hand: Wenn die Bodendegradation effektiv angegangen wird, dann könnte das nicht nur eine gewaltige humanitäre Krise vermeiden helfen. Es würde auch 67 Billionen Euro pro Jahr zum Einkommen der Weltbevölkerung beitragen. Der Bericht „The Value of the Land wird am 24. September 2015 offiziell vor der Vollversammlung der UNO in New York vorgestellt.
(United Nations University, 16.09.2015 – NPO)