Fingerzeig und suggestiver Hüftschwung: Bonobo-Weibchen sind nicht gerade schüchtern, wenn es um Sex geht. Droht ein Streit mit einer Artgenossin, zeigen sie ihr unzweideutig, dass sie Sex mit ihr einem Kampf vorziehen, wie Forscherinnen beobachteten. Das Spannende daran: Die Zeigegesten und der pantomimische Hüftschwung ähneln verblüffend den typisch menschlichen Gesten. Dies wirft Fragen zur Evolution der menschlichen Kommunikation auf: War möglicherweise Sex der Antrieb für die Vorformen der Sprache?
Gesten sagen manchmal genauso viel wie Worte – und viele von ihnen sind typisch für unsere menschliche Kommunikation. Doch es gibt sogar einige wenige Tiere, die solche referentiellen Gesten nutzen und verstehen. So kennen Orang-Utans mindestens 40 verschiedene Gesten und Elefanten verstehen menschliche Zeigegesten sogar auf Anhieb. Selbst Raben zeigen mit dem Schnabel, um Artgenossen auf ein Objekt hinzuweisen.
Suggestiver Hüftschwung
Einen ganz besonderen Fall haben jetzt Forscher bei Bonobos an der Forschungsstation LuiKotale im kongolesischen Regenwald beobachtet. Diese eng mit den Schimpansen verwandten Menschenaffen gelten als besonders sozial und friedlich, Konflikte lösen sie eher durch Sex als mit einem Kampf. Und das äußert sich auch in ihren Gesten, wie Pamela Douglas und Liza Moscovice vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig nun feststellten.
Wie die Forscherinnen beobachteten, laden Bonobo-Weibchen Artgenossinnen mittels Gesten zu einem sexuellen Techtelmechtel ein, um Konflikte zu vermeiden. Neben einem Fingerzeig drücken sie ihren Wunsch nach körperlicher Nähe durch unmissverständliche Hüftschwünge aus. Dies geschieht vor allem dann, wenn die Wunschpartnerin auch wirklich hinschaut. Führt die erste Aufforderung nicht zum Ziel, wiederholt das Weibchen diese Gesten.
Sex als Antrieb für Gestensprache?
Mit diesen Gesten nehmen die Bonobo-Damen die gewünschte Handlung sozusagen pantomimisch vorweg – und zeigen damit klare Parallelen zur gestischen Kommunikation von uns Menschen. Sowohl das Zeigen als auch die pantomimischen Hüftbewegungen könnten damit Vorläufer der referentiellen Kommunikation unserer eigenen Art sein, mutmaßen die Forscherinnen.
„Die Entdeckung wirft eine Vielzahl spannender Fragen auf“, sagt Gottfried Hohmann, Direktor des LuiKotale Bonobo Projekts. „Liegen die Wurzeln menschlicher Kommunikation womöglich im Spannungsfeld sexueller Beziehungen, also dort, wo Gesten und Mimik besonders bedeutsam sind?“ Das wäre ein ganz neuer Forschungsansatz, wie der Forscher meint.
Denn bisher suchte man den Antrieb für komplexere Formen der Kommunikation eher bei Botschaften in Situationen auf Leben und Tod oder beim Futter. Doch die Beobachtungen bei den Bonobos könnten auch dafür sprechen, dass die Kommunikation sozialer Absichten und besonders die Einladung zum Sex wichtig gewesen sind. (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep13999)
(Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, 11.09.2015 – NPO)