Die nützliche Oma ist schuld: Langlebige Großmütter könnten bei unseren Vorfahren den Hang zur Monogamie gefördert haben. Denn weil die Omas ihre Enkel mitversorgten, bekamen Mütter mehr Nachwuchs – der dank Omas Genen ebenfalls langlebig war. Mit der Zeit gab es dadurch mehr ältere, noch zeugungsfähige Männer, die um wenige, fruchtbare Frauen konkurrierten. Die beste Strategie war dann: Wer eine hatte, behielt sie – und die Monogamie war geboren.
Wir Menschen sind in Bezug auf unsere Paarbeziehungen eher die Ausnahme unter den Primaten. Denn im Gegensatz zu uns kennen die meisten Affen keine Monogamie. Warum unsere Vorfahren irgendwann begannen, Zweierbeziehungen einzugehen, dazu gibt es mehr Theorien als Gewissheiten. So sehen die einen die Angst vor Kindsmord als Triebkraft, andere eine Vorliebe der Vormenschenfrauen für fürsorgliche Männer.
Der „Oma-Effekt“
James Coxworth von der University of Utah in Salt Lake City und seine Kollegen haben nun eine weitere Theorie dazu vorgestellt: Sie halten die Monogamie für eine Nebenwirkung des „Oma-Effekts“. Der Oma-Effekt galt bisher als eine der Erklärungen dafür, warum wir Menschen deutlich länger leben als unsere nächsten Verwandten die Schimpansen und Bonobos:
Wenn die Großmutter noch lebt und ihren Enkel versorgen kann, dann kann die Mutter schneller weitere Kinder bekommen. Das aber bedeutet, dass Langlebige und ihre Töchter im Durchschnitt auch mehr Nachwuchs in die Welt setzen. Die Gene für Langlebigkeit breiten sich dadurch im Laufe der Zeit überproportional stark in der Bevölkerung aus und sie wird dadurch allmählich als Ganzes langlebiger.
Mehr Konkurrenz um die fruchtbaren Frauen
Doch dieser Oma-Effekt hat noch eine weitere Auswirkung, die die Forscher nun genauer unter die Lupe genommen haben. Die höhere Lebenserwartung wirkt sich auf Männer und Frauen unterschiedlich aus: Männer können selbst im hohe Alter noch Kinder zeugen, bei Frauen hat sich aber trotz längerer Lebensdauer der Zeitpunkt der Wechseljahre nicht mit verschoben – bei ihnen ist mit etwa 45 Jahren Schluss mit dem Kinderkriegen.
Das aber bedeutet, dass es immer mehr ältere, noch fruchtbare Männer gibt, die mit den jungen Männern um die gleich gebliebene Menge junger, noch fruchtbarer Frauen konkurrieren. „Auf jede Frau im gebärfähigen Alter kommen damit beim Menschen 1,56 fruchtbare Männer“, erklären die Forscher. Bei den meisten anderen Primaten sei es dagegen eher andersherum, weil die Sterblichkeit bei Männern generell höher ist.
Bei Männerüberschuss hat „Male Guarding“ Vorteile
Nach Ansicht der Forscher könnte diese Folge des „Oma-Effekts“ das Paarungsverhalten unserer Vorfahren nachhaltig geändert haben – und schuld an der meist bei uns üblichen Zweierbeziehung sein. „Wenn es viele konkurrierende Männer gibt, ist es vorteilhafter, die Frau, die man einmal ergattert hat, auch zu behalten und gegen Rivalen zu verteidigen“, erklärt Kristen Hawkes von der University of Utah.
Diese im Tierreich als „Male-Guarding“ bezeichnete Strategie ist der monogamen Zweierbeziehung durchaus ähnlich: Ich bleibe als Mann mit der Partnerin zusammen, helfe ihr die Kinder aufzuziehen und im Gegenzug gebärt sie mir meinen Nachwuchs und sorgt so dafür, dass meine Gene sich weiter verbreiten. Zwar muss der Mann mehr Energie in die Familie und die Partnerin investieren, dafür aber hat er die Sicherheit, dass er Nachkommen hat.
Alles begann mit der nützlichen Oma
Damit aber ergibt sich eine Kausalkette, die von der länger lebenden Oma über eine steigende Lebenserwartung bis hin zum Male Guarding und damit zur Paarbindung führt, wie die Forscher erklären. „Es sieht ganz so aus, als wären die Großmütter entscheidend für die Entwicklung der Zweierbeziehung beim Menschen gewesen“, sagt Hawkes.
Für die Forscherin geht der Oma-Effekt vielleicht sogar noch weiter: Ihrer Ansicht nach verdanken wir den Großmüttern unserer fernen Vorfahren nicht nur unsere lang Lebensdauer und die Paarbindung. Auch die Fähigkeit zur Empathie, Kooperation und sogar die größeren Gehirne könnten mit dem Wandel der Beziehungsstrukturen zu Familien mit Großeltern einhergegangen sein. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: doi: 10.1073/pnas.1599993112)
(University of Utah / PNAS, 08.09.2015 – NPO)