Mörser statt Kirchenglocken: Die älteste sesshafte Kultur des Nahen Ostens nutzte ein ungewöhnliches Mittel, um vor rund 13.000 Jahren zu Beerdigungen zu rufen. Sie erzeugten ein lautes Stampfen und Klopfen mit eigens dafür hergestellten zeremoniellen Mörsern. Dieses Stampfen war kilometerweit zu hören und diente daher ebenso der Zubereitung des Leichenschmauses wie der Ankündigung des Totenrituals, wie israelische Archäologen herausgefunden haben.
Sie besaßen bereits echte Friedhöfe, schmückten ihre Gräber mit Blumen und ehrten die Toten mit einem zeremoniellen Mahl: Die vor 15.000 bis 11.500 Jahren im Nahen Osten lebende Natufien waren eine der ersten sesshaften Kulturen überhaupt und damit auch Vorreiter im Anlegen von über Generationen genutzten Grabstätten. Diese Menschen bauten wahrscheinlich schon gezielt Wildgetreide an und leiteten damit den Übergang zur Landwirtschaft ein.
Riesenmörser mitten im Friedhof
Daher verwundert es auf den ersten Blick nicht, dass Archäologen in den Siedlungsresten der Natufien auch große Steinmörser fanden. Diese eingewölbten Ambosse waren bis zu einem Meter hoch, oft halb im Boden eingegraben und wogen bis zu 100 Kilogramm. „Sie gehören zu den größten Steinartefakten, die in dieser Periode im Nahen Osten hergestellt wurden“, erklärt Danny Rosenberg von der Universität Haifa.
Das Seltsame aber ist: Diese Mörser standen nicht mitten im Dorf, sondern waren in den Friedhöfen der Natufien aufgestellt. „Wir fasziniert von der Assoziation dieser Steinmörser mit Begräbnissen“, sagen die Forscher. Die massive Bauweise dieser Steinbrocken und ihr Eingraben im Untergrund deutet zudem darauf hin, dass die Natufien sie dort dauerhaft aufstellten – möglicherweise blieben sie sogar über Generationen hinweg stehen.
Stampfen als Signal
Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass diese Steinwerkzeuge eine wichtige Rolle bei den Beerdigungs-Ritualen der Natufien spielten. „Sie wurden nicht für Alltagszwecke gebaut, sondern bildeten einen integralen Teil der Zeremonien und Ereignisse in diesen Begräbnis-Arealen“, so Rosenberg. „Sie gehörten gleichsam zum Mobiliar solcher Friedhöfe.“
Wahrscheinlich hatten die Mörser sogar eine zweifache Aufgabe: Zum einen wurde in ihnen das Getreide für das Totenmahl zermahlen. Dies begann wahrscheinlich schon Stunden oder sogar Tage vor der Zeremonie. Gleichzeitig aber war dieses Stampfen kilometerweit zu hören und diente damit den Mitgliedern der Gemeinschaft als Signal dafür, dass ein Totenritual bevorsteht – ähnlich wie heute Kirchenglocken solche Ereignisse ankündigen.
„Die Mitglieder der Natufien-Kultur lebten in einer Zeit des Umbruchs“, erklärt Rosenberg. „Die gemeinsamen Begräbnisse und Gedenkzeremonien spielten daher eine wichtige Rolle, um die Mitglieder der Gemeinschaft zusammenzuschweißen und den Gemeinschaftssinn zu stärken.“ Und das Stampfen der Mörser war der Klang, der diese Zeremonien einleitete und begleitete.
(University of Haifa, 24.08.2015 – NPO)