Umwelt

Fukushima: Meeresschlamm verlängert Kontamination

Radionuklide im Sediment werden noch Jahrzehnte später freigesetzt

Forscher bergen eine der Sedimentfallen, die sie 115 Kilometer von der Küste Japans entfernt ausgesetzt hatten. © Makio Honda/ Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology

Verseuchter Schlamm: Selbst mehr als hundert Kilometer vor der Küste von Fukushima ist der Meeresboden mit radioaktivem Cäsium belastet. Es gelangte aber nicht durch Luft oder Wasser direkt nach der Atomkatastrophe dorthin, sondern stammt aus dem noch immer stark verseuchten Sediment in Küstennähe. Wird dieses von Stürmen aufgewirbelt, setzt es einen Teil der dort begrabenen Radionuklide frei – und das kann noch Jahrzehnte so weitergehen.

Mehr als vier Jahre liegt die Katastrophe von Fukushima bereits zurück, doch die Folgen sind noch lange nicht ausgestanden – auch wenn die ersten Evakuierten schon bald in ihre Heimat zurückkehren sollen. Im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kämpfen Arbeiter und Ingenieure noch immer darum, die Reaktoren und das kontaminierte Kühlwasser in den Griff zu bekommen. Auch die Vogelwelt rund um das Atomkraftwerk zeigt Folgen.

Über das verseuchte Kühlwasser und die Luft gelangte radioaktives Cäsium auch ins Meer. Bereits Anfang 2014 hatten sich diese Radionuklide mit den Strömungen so weit ausgebreitet, dass sie vor der nordamerikanischen Küste nachweisbar waren. Das einzig Gute daran: Durch die Verteilung im Pazifik wird die Belastung sozusagen verdünnt.

Reservoir im Sediment

Doch wie sich jetzt zeigt, gibt es ein zuvor unerkanntes Reservoir, das vor der Küste Japans immer wieder aufs Neue radioaktives Cäsium freisetzt. „Gut 99 Prozent des Cäsiums wurde zwar mit dem Wasser ins offenen Meer hinaus getragen“, erklärt Ken Buesseler von der Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI). „Aber ein kleiner Teil – rund ein Prozent – endete am Meeresboden als Sediment.“

Meereschemiker Ken Buesseler vor dem Kraftwerk vn Fukushima © Ken Buesseler

Um herauszufinden, ob das Cäsium im Sediment begraben bleibt oder aber wieder aufgewirbelt werden kann, nahmen Buesseler und seine Kollegen an verschiedenen Stellen vor der Ostküste Japans Proben des Meeresgrunds. Zusätzlich stellten sie Sedimentfallen auf, die über mehrere Monate hinweg Sand und Schlamm einfingen. Zwei dieser Fallen standen 115 Kilometer südöstlich von Fukushima Daiichi entfernt – und damit noch vor dem Schelfsockel Japans – in 500 und 1.000 Metern Tiefe.

Kontamination selbst 100 Kilometer vor der Küste

Die Auswertung der Proben ergab Ungewöhnliches: Selbst an diesen mehr als hundert Kilometer vom Kraftwerk entfernten Standorten fand sich radioaktives Cäsium im Sediment. „Das war eine kleine Überraschung, denn normalerweise bildet sich Sediment im Ozean aus dem, was senkrecht von oben herunterrieselt“, sagt Buesseler. Und das offene Meer ist inzwischen nicht mehr so stark kontaminiert, dass von dort Cäsium in größerem Ausmaß absinkt.

Wo aber kam das Cäsium dann her? Die Forscher machten sich auf Spurensuche – und wurden fündig: „Der einzige Ort, woher das Material in unseren Sedimentfallen stammen kann, sind der Kontinentalschelf und die Meeresabhänge in Küstennähe“, berichtet Buesseler. Offensichtlich liegt dort, im küstennahen Meeresboden noch immer genügend radioaktives Cäsium, um auch Jahre nach dem Atomunglück das Sediment zu kontaminieren.

Aufgewirbelt und verteilt durch Stürme

Wie die Forscher berichten, wird das verseuchte Sediment an der Küste durch Stürme aufgewirbelt und dann durch südöstliche Strömungen ins Meer hinaus getragen. Vor allem die vor Japan nicht eben seltenen Taifune tragen zu diesen Schüben der Kontamination bei.

Das Sediment-Reservoir und dieser periodische Transport könnten nach Ansicht der Forscher erklären, warum auch Meerestiere noch immer messbar kontaminiert sind: „Dies trägt zu den erhöhten Cäsium-Werten von Fisch bei – vor allem bei den am Meeresboden lebenden Fischen vor Japan“, so Buesseler. Dies könne auch noch Jahrzehnte so bleiben – weil das meiste Cäsium im Sediment begraben bleibt und immer wieder nur ein kleiner Teil dieses radioaktiven Reservoirs aufgewirbelt wird. (Environmental Science and Technology, 2015; doi: 10.1021/acs.est.5b02635)

(Woods Hole Oceanographic Institution, 19.08.2015 – NPO)

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