Überraschender Fund: Vor der Südküste Siziliens haben Forscher einen eindeutig menschengemachten Steinblock am Meeresboden entdeckt. Der zwölf Meter lange Monolith ist rund 10.000 Jahre alt und hat drei kreisrunde, gleichgroße Löcher, deren Funktion noch rätselhaft ist. Seine Erbauer schufen ihn zudem nicht vor Ort, sondern transportierten ihn von einer 300 Meter entfernten Formation an seinen Standort – eine erstaunliche Leistung für diese Zeit.
Unsere Vorfahren errichteten schon in der Steinzeit erstaunliche Bauwerke und Monumente – und das ohne sonderlich fortgeschrittene Technik. Davon zeugen bekannte Anlagen wie Stonehenge und Göbekli Tepe in Anatolien. Doch viele weitere Zeugnisse solcher früher Kulturen könnten noch im Meer verborgen sein. Denn viele Gebiete, die heute bis zu 100 Meter unter dem Meeresspiegel liegen, waren am Ende der letzten Eiszeit vor rund 12.000 Jahren noch Teil der Landflächen – und damit auch potenzielles Siedlungsgebiet für unseres Vorfahren.
Fund auf versunkener Insel
Ein Zeugnis davon haben Emanuele Lodolo vom Nationalen Institut für Ozeanografie und experimentelle Geophysik in Triest und Zvi Ben-Avraham von der Universität Haifa nun in der Meeresenge zwischen Sizilien und Tunesien entdeckt. In diesem Meeresgebiet liegt eine Inselgruppe, die während der letzten Eiszeit Teil Siziliens war. Als das Eis schmolz und die Ozeane stiegen, versank jedoch zuerst die Landbrücke, dann vor rund 9.500 Jahren auch das gesamte Archipel in den Fluten.
Auf einer der versunkenen Inseln dieses Archipels rund 37 Kilometer südlich der Küste Siziliens haben die Forscher bei einer Kartierung des Meeresbodens zu ihrer Überraschung einen Steinzeit-Monolith entdeckt. Der in zwei Teile zerbrochene Steinkoloss ist zwölf Meter lang und zwei Meter dick und liegt flach auf dem Meeresboden in rund 40 Metern Tiefe.
Rätselhafte Löcher
Besonders spannend: „Der Monolith hat drei regelmäßige Löcher gleichen Durchmessers“, berichten die Forscher. Eines dieser rund 60 Zentimeter großen Löcher liegt nahe der Spitze des Monolithen und geht komplett durch ihn hindurch. Die anderen beiden liegen aufn halber Höhe an der Seite des Steinblocks und ähneln eher kreisrunden Vertiefungen.
„Es gibt keine natürlichen Prozesse, die auf naheliegende Weise solche Elemente verursachen könnten“, konstatieren die Wissenschaftler. Löcher und regelmäßige Form des Steinblocks sprechen ihrer Ansicht nach dafür, dass der Monolith von Menschen hergestellt wurde – und dies bereits vor rund 10.000 Jahren, vor dem Versinken dieses Archipels.
Wozu der Monolith einst diente, ist noch völlig unbekannt. Die Forscher spekulieren, dass er vielleicht als eine Art Signalgeber oder Landmarke diente. Möglicherweise befestigten die Steinzeitmenschen eine Fackel in dem oberen Loch, die dann auf das damals nahe Meer hinaus schien. Die Löcher könnte aber auch einem ganz andren Zweck gedient haben – welchem, bleibt vorerst rätselhaft.
Erstaunliche Technologie
Wie Analysen von Gesteinsproben zeigen, wurde der Monolith keineswegs vor Ort aus dem Stein gehauen. Denn er besteht aus einem anderen Gestein als der ihn umgebende Meeresboden. Stattdessen müssen seine Erbauer den 15 Tonnen schweren Brocken aus einer Gesteinsformation 300 Meter südlich seines jetzigen Fundorts herausgeschnitten und dann transportiert haben, wie die Forscher berichten.
„Der Monolith besteht aus einem einzigen, großen Block und musste geschnitten, extrahiert, transportiert und schließlich aufgestellt werden“, so Lodolo und Ben-Avraham. „Das zeugt unzweifelhaft von fortgeschrittenen technischen Fähigkeiten und großer Ingenieurskunst.“ Nach Ansicht der Forscher widerlegt dieser Fund damit die Vorstellung von primitiven, zu wenig mehr als dem bloßen Überleben fähigen Jäger und Sammlern jener Zeit.
Noch mehr versunkene Zeugnisse
„Die Entdeckung dieses versunkenen Ortes im sizilianischen Kanal könnte unser Wissen über die frühesten Zivilisationen im Mittelmehr bedeutend erweitern“, so die Forscher. Denn nahezu alles, was wir bisher von prähistorischen Kulturen wissen, beruhe auf Fundstellen, die heute an Land liegen. Doch diese lagen am Ende der letzten Eiszeit bis zu hunderte Kilometer weit landeinwärts.
Es liegt daher nahe, dass die damaligen Siedler – ähnlich wie wir heute – unmittelbar an den ressourcenreichen Küsten lebten. „Es ist daher nötig, stärker in den heute versunkenen Schelfgebieten nach prähistorischen Relikten zu suchen“, meinen Lobolo und Ben-Avraham. (Journal of Archaeological Science, 2015; doi: 10.1016/j.jasrep.2015.07.003)
(Journal of Archaeological Science, 17.08.2015 – NPO)