Größer als die Theorie erlaubt: Astronomen haben im Weltall einen riesigen Ring aus Gammastrahlen-Ausbrüchen entdeckt, der zehnfach größer ist als alle bekannten kosmischen Strukturen. Er hat einen Durchmesser von rund fünf Milliarden Lichtjahren und bedeckt damit 30 bis 40 Grad des Himmels. Das Rätselhafte daran: So große Strukturen dürfte es im All gar nicht geben, denn sie widersprechen unseren gängigen kosmologischen Modellen.
Nach gängiger Theorie ist das Universum in großem Maßstab homogen und isotrop – Materie und Strahlung in ihm sind relativ gleichmäßig verteilt. Diese „Gleichheit“ zeigt sich unter anderem in Karten der kosmischen Hintergrundstrahlung und gilt unter anderem als Beleg dafür, dass einst alles im Urknall begann. Demnach dürfte es eigentlich keine Strukturen im Kosmos geben, die mehr als 1,2 Milliarden Lichtjahre umfassen.
Riesenring aus Gammablitzen
Doch Lajos Balazs vom Kokoly Observatorium in Budapest und seine Kollegen haben nun mit Hilfe der Beobachtungsdaten verschiedener Teleskope eine Struktur im Universum entdeckt, die deutlich größer ist als dies. Es handelt sich um einen Ring aus neun Gammastrahlen-Ausbrüchen (GRB) mit einem Durchmesser von rund 5,6 Milliarden Lichtjahren. Solche Gammablitze gelten als die hellsten Ereignisse im Kosmos, sie geben in wenigen Sekunden mehr Energie ab als die Sonne in ihrer gesamten bisherigen Lebenszeit.
Dieser Ring aus Gammablitzen erstreckt sich am Himmel über 43° in Nordsüdrichtung und 30° in Ostwestrichtung, das entspricht dem 70-fachen Durchmesser des Vollmonds. „Es war eine gewaltige Überraschung, etwas so großes zu finden – es handelt sich damit um die größte regelmäßige Struktur im beobachtbaren Universum“, berichtet Balazs. Der Ring sei zehn Mal größer als alle bisher bekannten Großstrukturen des Kosmos.
Nur der Anschnitt einer Kugel?
Die hellen Ausbrüche scheinen zudem alle etwa gleich weit von uns entfernt zu liegen, rund sieben Milliarden Lichtjahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Gammastrahlen-Ausbrüche rein durch Zufall so angeordnet sind, liegt nach Angaben von Balazs bei 1 zu 500.000. Die Forscher gehen daher davon aus, dass es sich um eine echte Großstruktur handeln muss. „Wir verstehen aber noch nicht so recht, wie sie entstanden sein kann“, sagt Balazs.
Wie die Astronomen erklären, deuten die Beobachtungsdaten darauf hin, dass dieser Ring sogar nur ein Ausschnitt aus einer kugelförmigen Struktur sein könnte, von der wir quasi nur den Anschnitt sehen. Dafür spricht, dass blasenartige Leerräume und Filamente aus Gas und Galaxien typische Ausprägungen bekannter Großstrukturen sind. Die bisher bekannten Formen dieser Art sind allerdings nur knapp 500 Millionen Lichtjahre groß.
Widerspruch zur gängigen Kosmologie
„Wenn unsere Beobachtungen richtig sind, dann widerspricht diese Struktur den aktuellen Modellen des Universums“, sagt Balazs. Denn nach diesen entstand der gesamte Kosmos einst im Urknall und dehnte sich dann erst durch die Inflation und dann die normale kosmische Expansion aus. Durch Quantenfluktuationen bei der Inflation bildeten sich zwar später lokale Materieverdichtungen aus denen Galaxien und Galaxienhaufen wurden.
Nach gängiger Theorie dürften aber selbst die Großstrukturen über eine gewisse Größe nicht hinausgehen, um die grundsätzliche Homogenität und Isotropie des Universums nicht in Frage zu stellen. Doch genau dies scheint dieser Gammablitz-Ring nun zu tun. Die Astronomen wollen nun mehr über diesen rätselhaften Ring herausfinden und untersuchen welche Prozesse zu seiner Entstehung geführt haben könnten. Dies könnte dann auch klären, ob der Ring tatsächlich die gängigen Theorien über den Haufen wirft oder nicht. (Notices of the Royal Astronomical Society, 2015; doi: 10.1093/mnras/stv1421)
(Royal Astronomical Society (RAS), 05.08.2015 – NPO)