Paläontologie

Ältestes Tier der Welt verblüfft Forscher

570 Millionen Jahre alter Mehrzeller nutzt bereits zwei verschiedene Fortpflanzungswege

So könnte Fractofusus ausgesehen haben. Größere Exemplare siedelte zuerst und vermehrten sich dann über ABlöeger. © CG Kenchington

Erfolgreich dank Doppelstrategie: Eines der ältesten Tiere der Erde besaß bereits eine verblüffend raffinierte Fortpflanzung. Denn es kombinierte gleich zwei verschiedene Strategien miteinander. Es produzierte schwimmfähige Stadien, die mit der Strömung in günstige Regionen trieben. Dort angekommen, bildeten diese ihrerseits Nachkommen durch „Ableger“. Diese Doppelstrategie ist erstaunlich komplex für ein fast 570 Millionen Jahre altes Lebewesen, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.

Heute gibt es im Tierreich eine Vielzahl ganz verschiedener Vermehrungs-Strategien. Neben der klassischen sexuellen Vermehrung – Männchen sucht Weibchen – gibt es auch Arten, die ganz ohne Paarung Nachwuchs produzieren. Viele wirbellose Tiere und sogar die Sägefische schaffen dies per Jungfernzeugung, andere Tiere wie Schwämme oder Polypen bilden eine Art Ableger, sie vermehren sich durch Knospung.

Rätselwesen aus der fernen Vorzeit

Wie aber pflanzten sich die ersten mehrzelligen Tiere fort, sozusagen unser aller Ururahn? Genau diese Frage könnten nun 565 Millionen Jahre alte Fossilien aus Neufundland klären helfen. Diese Fractofusus-Fossilien gehören zu den Rangeomorpha, den ältesten mehrzelligen komplexen Tieren der Erde – und den rätselhaftesten. Ihr mit einem Stiel am Untergrund festsitzender Körper ähnelt einem gelappten Gebilde ohne Kopf, Mund oder Verdauungsorgane. Wahrscheinlich nahmen sie Nährstoffe direkt aus dem umgebenden Wasser auf.

Wie sich diese mysteriösen Wesen vermehrten, war bisher unbekannt. Doch Emily Mitchel von der University of Cambridge und ihre Kollegen kamen auf die Idee, die Verteilung der Fractofusus-Fossilien mit Hilfe von statistischen Modellen zu analysieren. Sie wollten dadurch herausfinden, ob dahinter ein erkennbares Muster steckt. Denn oft liefert eine nicht-zufällige Verteilung von sessilen Organismen wertvolle Hinweise auf deren Reproduktion.

Diese Nahaufnahme eines Fractofusus-Fossils zeigt seine gelappte Struktur © EG Mitchell

„Gründer“ und „Ableger“

Und tatsächlich: Die Fractofusus-Fossilien bilden ein auffälliges Muster im Gestein, wie die Analysen ergaben. Dabei sind die größten Exemplare zufällig in der Gegend verteilt. „Sie stammen wahrscheinlich von mit dem Wasser verbreiteten Vermehrungsstadien ab und waren die Gründer dieser Fractofusus-Population“, sagen die Forscher.

Doch die restlichen Fractofusus-Exemplare bilden ein ganz und gar nicht zufälliges Muster – im Gegenteil: Eng um die Gründer herum gruppieren sich mittelgroße Exemplare, die ihrerseits wiederum von noch kleineren umgeben sind. „Dieses hierarchische Muster ähnelt dem von Organismen, die sich asexuell mit Hilfe von Ausläufern vermehren“, erklären Mitchell und ihre Kollegen.

Raffinierte Doppelstrategie

Das aber bedeutet, dass die allerersten Tiere sogar schon zwei verschiedene Fortpflanzungs-Strategien kannten: Um sich neue Lebensräume zu erschließen, produzierten sie schwimmfähige Vermehrungsstadien, die mit der Strömung fortgetragen wurden. Einmal an einem geeigneten Ort angekommen, setzten sich diese fest und produzierten per Knospung schnell viele Nachkommen. Das erlaubte es ihnen, eine günstige Umgebung besonders effektiv zu besiedeln.

„Die Fähigkeit dieser Organismen, zwischen zwei verschiedenen Methoden der Reproduktion umzuschalten zeigt, wie raffiniert ihre Biologie schon war“, sagt Mitchell. „Und das zu einer Zeit, als die meisten andere Lebensformen noch unglaublich simpel waren.“ (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14646)

(University of Cambridge, 04.08.2015 – NPO)

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