Medizin

Gesundmacher Resveratrol: Weniger ist mehr

Rotwein- und Beeren-Inhaltsstoff ist in niedriger Dosis wirksamer gegen Krebs

In vielen Rotweinen ist der Pflanzenstoff Resveratrol enthalten © Olga Shevchenko/ freeimages

Von wegen viel hilft viel: Beim Pflanzenstoff Resveratrol scheint eine niedrige Dosis besser zu wirken als eine höhere. Erhielten Mäuse nur eine geringe Menge des Antioxidans, bildeten sie weniger Darmkrebs-Tumore. Eine 200-fach höhere Dosis wirkte dagegen kaum, wie Forscher im Fachmagazin „Science Translational Medicine“ berichten. Dieser Effekt könnte erklären, warum Resveratrol in Studien mit Menschen bisher nur wenig überzeugte – die Dosis war einfach zu hoch.

Der in Rotwein und roten Beeren enthaltene Pflanzenstoff Resveratrol gilt schon länger als „Gesundmacher“. Denn das Antioxidans soll gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen und sogar Krebs hemmen können. Doch diese Wirkungen sind nicht unumstritten. Unter anderem, weil 2014 eine Studie ergab, dass Menschen, die höhere Dosen Resveratrol zu sich nahmen, nicht gesünder waren als andere.

Hong Cai von der University of Leicester und seine Kollegen werfen nun ein neues Licht auf diese Widersprüche. Ihr Verdacht: Möglicherweise liegen die Probleme im Aufbau der Studien – bei einer zu hohen Dosis. „Denn obwohl epidemiologische Daten darauf hindeuten, dass schon die mit der Nahrung aufgenommenen Mengen eine Schutzwirkung haben, werden die Studien oft mit sehr viel höheren Dosierungen durchgeführt“, erklären die Forscher.

Tumore schrumpfen

In Experimenten mit Mäusen haben sie gezielt untersucht, wie gut eine niedrige oder eine deutlich höhere Resveratrol-Dosis gegen Darmkrebs-Tumore wirkt. Dafür verabreichten sie den Mäusen mit dem Futter eine Resveratrol-Menge, die dem Trinken eines Glases Rotwein bei einem Menschen entspricht. Die zweite Mäusegruppe bekam dagegen eine 200-fach höhere Dosis. Zusätzlich erhielt ein Teil jeder Mäusegruppe besonders fettreiches Futter.

Das überraschende Ergebnis: Nicht die hohe Dosis wirkte am besten, sondern die niedrige. Die Mäuse, die das fettreiche Futter und nur wenig Resveratrol bekommen hatten, bildeten 40 Prozent weniger Krebsgeschwüre im Darm wie die unbehandelten Kontrolltiere. Die gesamte Tumormasse lag bei ihnen sogar um die Hälfte niedriger.

Dunkle Trauben produzieren das Resveratrol © J. Gabriel/ freeimages

Weniger ist mehr

„Obwohl die hohe Dosis auch wirkte, war sie durchgängig weniger potent“, berichten die Forscher. Sie reduzierte die Tumore nur um ein Drittel und die Masse um ein Viertel. „Damit sehen wir zum ersten Mal, dass weniger beim Resveratrol mehr ist“, sagt Seniorautorin Karen Brown von der University of Leicester.

Auch in ergänzenden Versuchen mit menschlicher Darmschleimhaut zeigte sich eine höhere Wirksamkeit bei den niedrigen Resveratrol-Dosen. „Unsere Studie belegt damit, das niedrige Dosen von Resveratrol besser gegen Krebs wirken als höhere“, so Brown. Warum das so ist, ist noch unklar. Die Forscher stellten aber bereits fest, dass das Resveratrol in den Geweben bestimmte Enzyme aktiviert und die Zerstörung entarteter Zellen fördert.

Welche Rolle spielt die Ernährung?

„Noch ist dies ein frühes Stadium der Laborversuche“, betonen die Wissenschaftler. Es sei daher nicht sinnvoll, schon mal auf Verdacht Resveratrol einzunehmen oder mit dem Rotweintrinken anzufangen. Als nächstes müssen erst einmal klinische Studien durchgeführt werden, bei denen der positive Effekt niedriger Resveratrol-Dosen auch beim Menschen überprüft wird.

Geklärt werden muss auch, warum das Resveratrol nur bei den Mäusen gegen Darmkrebs half, die fettreiches Futter bekommen hatten. „Möglicherweise wirkt der Stoff gezielt gegen den tumorfördernden Effekt fettreicher Kost“, mutmaßen die Forscher. Dies würde gut zu Ergebnissen von Studien passen, bei denen Resveratrol bei übergewichtigen Menschen oder Diabetespatienten besser wirkte als bei normalgewichtigen Gesunden.

Dennoch zeigen die neuen Erkenntnisse, dass der Zusammenhang von Dosis und Wirkung nicht immer so simpel linear ist, wie häufig angenommen. Die Wissenschaftler vermuten, dass es auch bei anderen Pflanzenstoffen und einigen Vitaminen einen ähnlich „umgekehrten“ Effekt gibt. (Science Translational Medicine, 2015; doi: 10.1126/scitranslmed.aaa761)

(Science Translational Medicine, 30.07.2015 – NPO)

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