Schwefelschleier über Europa: Der Ausbruch des Bárðarbunga auf Island brachte zwar nur wenig Asche, dafür aber umso mehr Schwefeldioxid in die Atmosphäre. Während seines sechs Monate dauernden Ausbruchs stiegen die Schwefeldioxid-Werte der Luft in ganz Europa an, wie ein europäisches Forscherteam berichtet. Selbst in den Alpen erreichten die SO2-Werte zeitweilig das 50-Fache der normalen Werte. Es hätte allerdings noch viel schlimmer kommen können.
Als der Gletschervulkan Bárðarbunga am 31. August 2014 ausbrach, zeichnete sich noch nicht ab, wie langanhaltend und damit umfangreich diese Eruption werden würde. Sechs Monate lang spie die unterirdische Magmenkammer Lava, Gase und Rauch. In dieser Zeit quellen insgesamt 1,6 Kubikkilometer Lava aus Spalten im Holuhraun-Feld nördlich des Gletschers Vatnajökull und machten den Ausbruch zum größten Islands der letzten 200 Jahre.
„Dies war der größte Vulkanausbruch in Island seit der Eruption des Laki vor rund 200 Jahren“, sagt Erstautor Sigurdur Gislason von der Universität von Island. Beim Ausbruch des Laki 1883/84 starben 20 Prozent der isländischen Bevölkerung und zehntausende von Menschen in ganz Europa bekamen Asche und schwefelige Emissionen des Vulkans zu spüren. Wie viel Schwefeldioxid der Bardarbunga ausgaste und wie weit sich dieses verteilte, haben Gislason und seine Kollegen nun untersucht.
Schwefeldioxid in ganz Europa
Das Ergebnis: Obwohl die Eruption des Bárðarbunga wenig explosiv und auch nur bedingt spektakulär war, beeinflusste sie ganz Europa. Die gefürchteten Aschenwolken wie beim Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 blieben zwar aus, dafür aber überzog eine Wolke aus Schwefeldioxid den Kontinent. Immerhin knapp zwölf Millionen Tonnen SO2 setzte die Eruption im Laufe der sechs Monate frei, wie die Forscher ermittelten – das ist mehr als die gesamten anthropogenen SO2-Emissionen Europas im Jahr 2011.
Auf Island wurden dabei an mehreren Tagen und teilweise sogar Wochen der Grenzwert überschritten, ab dem die SO2-Belastung als gesundheitlich gilt. Dieser Grenzwert liegt in der EU bei 350 Mikrogramm pro Kubikmeter im Stundenmittel. Aber selbst auf 1.200 Metern Höhe den österreichischen Alpen wurden noch SO2-Werte von 235 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Das entspricht rund 60 Prozent des Grenzwerts und ist rund 50 Mal höher als die für diesen Ort übliche Schwefeldioxid-Konzentration.
Glück im Unglück
Doch es hätte noch sehr viel schlimmer kommen können: „Wir hatten Glück mit dem Timing und dem Wetter“, erklärt Gislason. Denn günstige Winde sorgten dafür, dass ein Großteil der Vulkan-Emissionen nach Norden geweht wurde – über weitgehend unbewohnte Regionen Islands. Zudem lag der Ausbruch im Winter, so dass die Windgeschwindigkeiten höher sind und die Schadstoffe dadurch schneller verdünnt werden.
Günstig auch: Im Winter wandelt sich weniger Schwefeldioxid in Schwefelsäure und damit in sauren Regen um. Hinzu kommt, dass der Ausbruch im Regenschatten des gewaltigen Vatnajökull-Gletschers lag. Auch das minimierte den in Säuretröpfchen umgewandelten Gasanteil, wie die Forscher erklären. „Die Position und der Zeitpunkt der Holuhraun-Eruption trugen gleich auf mehrfache Weise dazu bei, die Auswirkungen des Ausbruchs auf Umwelt und Menschen zu minimieren“, konstatieren die Forscher.
Trotz der relativ großen Menge an Schwefeldioxid hatte der Ausbruch des Bárðarbunga daher ihrer Einschätzung nach nur geringe Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. (Geochemical Perspectives Letters, 2015; doi: 10.7185/geochemlet.1509)
(European Association of Geochemistry, 21.07.2015 – NPO)