Nach 85 Jahren endlich entdeckt: Physiker könnten erstmals das exotische masselose Weyl-Fermion nachgewiesen haben – nicht in einem Teilchenbeschleuniger, sondern in einem speziellen Kristall. Diese bereits 1929 vorhergesagten Partikel verhalten sich wie masselose Elektronen und könnten daher zu schnelleren und effizienteren Elektronikanwendungen und Computern führen, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Die Elementarteilchen Elektronen und Quarks gehören zu den Fermionen mit einem halbzahligen Spin. Ihr Verhalten und ihre Entstehung wird durch die sogenannte Dirac-Gleichung beschrieben, von der man zunächst annahm, dass sie nur für Teilchen mit einer Masse zutrifft. Doch der Mathematiker und Physiker Hermann Weyl kam 1929 zu einer anderen Lösung dieser Gleichung: Er postulierte, dass es auch ein masseloses Teilchen geben musste, dass die nötigen Eigenschaften besitzt.
Zwei Fermionen-Typen gefunden, eine nicht
Inzwischen geht man davon aus, dass es drei Varianten von Fermionen gibt: die „normalen“ Dirac-Fermionen, wie Elektronen oder Positronen, die eine Masse besitzen, dann die exotischen, masselosen Majorana-Fermionen, die ihre eigenen Antiteilchen sind und die Weyl-Fermionen. Diese kommen Theorie nach immer in zwei Varianten gepaart vor – rechts- oder linkshändig. Dabei zeigen Spin und Impuls entweder in die gleiche Richtung oder in entgegengesetzte.
Doch während das Majorana-Fermion vor kurzem entdeckt wurde, blieb die Suche nach dem Weyl-Fermion 85 Jahre lang erfolglos. Vor einigen Jahren jedoch berichteten Forscher, dass bestimmte Halbmetall-Kristalle unter Energiezugabe solche Weyl-Fermionen erzeugen könnten. Su-Yang Xu von der Princeton University und seine Kollegen haben daher Dutzende von Kristallstrukturen analysiert und ihr Verhalten simuliert, bevor sie bei einem asymmetrischen Tantal-Arsenid-Kristall fündig wurden.
Verräterische Bögen
Als sie diesen Halbmetall-Kristall mit energiereichen Photonenstrahlen beschossen, zeigte sich ein für Weyl-Fermionen typisches Muster: Per Spektroskopie sichtbar gemacht bildeten sich sogenannte Fermi-Bögen an der Oberfläche des Kristalls. In seinem Inneren entstanden dabei Knoten, an denen sich Valenz- und Leitungsbänder des Tantal-Arsenids auf eine Weise berührten, die die Existenz von Weyl-Fermionen nahelegt, wie die Forscher berichten.
„Nach mehr als 80 Jahren der Suche haben wir nun festgestellt, dass dieses Fermion schon lange da war und nur auf uns gewartet hat“, sagt Studienleiter Zahid Hasan von der Princeton University. „Es handelt sich dabei um die grundlegendste Form des Fermions und hat alle möglichen seltsamen und wunderbaren Eigenschaften, die es nützlich machen könnten.“
Anwendungen als „masselose Elektronen“
Im Gegensatz zu Teilchen, die nur Sekundenbruchteile lang in Teilchenbeschleunigern auftauchen, lässt sich das Weyl-Fermion bei Raumtemperatur und durch Photonenbeschuss in einem Kristall erzeugen. Nach Ansicht der Forscher ermöglicht dies konkrete Anwendungen dieses Teilchens, beispielsweise in der Elektronik. Denn im Gegensatz zu Elektronen bewegen sich die Weyl-Fermionen sehr schnell und ohne zu streuen durch das Material und transportieren dabei eine Ladung.
„Sie verhalten sich wie sehr schnelle Elektronen, die wie ein Laser nur in eine Richtung strahlen“, erklärt Hasan. „Weil sie entweder rechts- oder linkshändig sind, fliegen sie einfach weiter und durchtunneln alle Hindernisse.“ Im Gegensatz zu Elektronen entsteht bei solchen masselosen Quasi-Elektronen keine Wärme. Das könnte die Weyl-Fermionen für Anwendungen beispielsweise in neuartigen Quantencomputern prädestinieren. „Die Physik der Weyl-Fermionen ist so seltsam, dass sich viele Diunge aus diesem Partikel ergeben könnten, die wir uns jetzt noch nicht einmal vorstellen können“, so Hasan. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa9297)
(Princeton University, 17.07.2015 – NPO)