Sprünge im Herzschlag der Sonne: Die zwei Dynamo-Prozesse, die die Sonnenzyklen verursachen, schwingen in unterschiedlichen Rhythmen. Da sie sich überlagern, kommen so auch die bisher unerklärbaren Unregelmäßigkeiten der Sonnenaktivität zustande, berichten britische Astronomen. Stimmt dieses Modell, dann sinkt die Aktivität der Sonne ab 2030 so stark wie zuletzt vor über 300 Jahren.
Auch unsere Sonne hat „Jahreszeiten“: Seit über 150 Jahren ist bekannt, dass die Sonnenaktivität alle zehn bis zwölf Jahre einen Höhepunkt mit besonders vielen Sonnenflecken und Eruptionen erreicht. Danach lässt sie wieder nach, nur um im nächsten Zyklus erneut zuzunehmen. Dieser „Herzschlag“ ist allerdings ziemlich unregelmäßig: Mal ist ein Zyklus etwas kürzer, mal länger, mal ist die Sonne aktiver, mal bleibt sie auch zum eigentlichen Höhepunkt eines Zyklus überraschend ruhig.
Unerklärte Unregelmäßigkeiten
Der Grund für diese Schwankungen: Derzeitige Modelle gehen von zwei Mechanismen aus, die diese Zyklen verursachen. Die gewaltigen Magnetfelder im Inneren der Sonne wirken wie ein Dynamo, der die Konvektion des heißen Plasmas beeinflusst und es gewissermaßen in regelmäßigen Pulsen umwälzt. Näher an der Oberfläche der Sonne bewirkt jedoch ein zweiter Dynamo ähnliche Prozesse, die allerdings chaotischer ablaufen.
Wie dies jedoch genau die die Unregelmäßigkeiten in den Sonnenzyklen verursacht, ließ sich bisher nicht erklären. Astrophysiker um Valentina Zharkova von der Northumbria University in Newcastle haben nun auf dem National Astronomy Meeting im walisischen Llandudno eine mögliche Ursache vorgestellt: Sie fanden zwei unterschiedliche wellenförmige Komponenten in der magnetischen Aktivität der Sonne – eine für jeden der solaren Dynamo-Prozesse.
Gegeneinander verschoben
Beide wandern zwischen der Nord- und Südhälfte der Sonne hin und her, jedoch mit unterschiedlicher Frequenz: „Sie haben beide eine Frequenz von etwa elf Jahren“, sagt Zharkova, „aber diese Frequenzen sind ein wenig unterschiedlich und zeitlich gegeneinander verschoben.“ Die beiden bekannten Prozesse arbeiten demnach unabhängig voneinander.
Weil die beiden Dynamos in leicht unterschiedlichen Rhythmen schwingen, können sie sich gegenseitig verstärken oder aufheben – je nachdem, ob ihre Maxima zusammenfallen oder einander genau gegenüber liegen. Wenn man das Maß dieser Verschiebungen kennt, lässt sich daher daraus ermitteln, wann Phasen besonders starker oder schwacher Sonnenaktivität zu erwarten sind – und genau das haben Zharkova und ihre Kollegen gemacht.
Dieses aus den Daten der vergangenen drei Sonnenzyklen von 1976 bis 2008 gewonnene Modell ist überraschend genau: „Wenn wir beide Wellen miteinander kombinieren und mit gemessenen Daten des momentanen Sonnenzyklus vergleichen, finden wir eine Genauigkeit von 97 Prozent für unsere Vorhersagen“, sagt Zharkova. Auch eine Vorhersage für Sonnenflecken, neben dem Magnetismus ein weiterer Marker für die Sonnenaktivität, erwies sich als bemerkenswert genau.
Ein neues solares Minimum?
Das Modell der Wissenschaftler sagt voraus, dass letzteres im kommenden Zyklus von 2030 bis 2040 geschehen wird: „Ihre Interaktionen werden zerstörerisch, oder sie heben einander nahezu auf“, sagt Zharkova.
Die Forscher glauben, dass dies ähnliche Bedingungen wie zu Zeiten des sogenannten Maunder Minimums führen wird. Während dieser Zeit von 1645 bis 1715 gab es extrem wenige Sonnenflecken und die Sonnenaktivität war äußerst niedrig. Dies gilt auch als eine der möglichen Ursachen für die „kleine Eiszeit“, eine ungewöhnliche Kälteperiode im damaligen Europa.
(Royal Astronomical Society (RAS), 10.07.2015 – AKR)