Biologie

Spinnen: Sex mit Gefühl

Kopulationsorgan der Männchen enthält doch Nerven und Sinneszellen

Viele Spinnenmännchen sind an ihren verdickten Tasterenden zu erkennen, dort sitzt das Kopulationsorgan. © gemeinfrei

Von wegen gefühllos: Spinnenmännchen könnten beim Sex mit ihrer Partnerin sehr wohl etwas spüren. Denn entgegen bisheriger Annahme enthält ihr Kopulationsorgan doch Nerven und Sinnesorgane, wie Forscher nun am Beispiel einer Höhlenspinne entdeckt haben. Offenbar können sie damit zumindest Dehnungen und Stauchungen bei der Paarung wahrnehmen, wie die Forscher im Fachmagazin „Biology Letters“ berichten.

Die meisten Spinnenmännchen sind gut an ihren „Boxhandschuhen“ zu erkennen: Ihre Pedipalpen haben verdickte Enden, die als Spermienbehälter und Kopulationsorgan zugleich dienen. Bei der Paarung nutzt das Männchen die Spitze dieses umfunktionierten Tasters, um die zuvor von seinem Hinterkörper aufgenommenen Spermien in die Geschlechtsöffnung des Weibchens zu applizieren.

Gefühlstaub und ohne Nerven?

Das Seltsame daran: Obwohl dies einiges an Feingefühl erfordert, war es Biologen bisher nie gelungen, irgendwelche Nerven oder Sinneszellen in den Enden der Pedipalpen zu finden. „Deshalb dachte man, dass die Kopulationsorgan der Spinnenmännchen gefühllos und äußeren Reizen gegenüber blind ist“, erklären Elisabeth Lipke von der Universität Greifswald und ihre Kollegen.

Doch damit wollten sich die Forscher nicht zufrieden geben. Für ihre Studie untersuchten sie daher die Kopulationsorgane der tasmanischen Höhlenspinne Hickmania troglodytes mit Hilfe der Mikro-Computertomografie und Feinstrukturanalysen.

Ein Nerv und zwei Neuronenhaufen

Das überraschende Ergebnis: Der „Boxhandschuh“ des Spinnenmännchens enthält sehr wohl Nervengewebe. Die Forscher entdeckten einen Nerv, der bis weit in das Kopulationsorgan hineinreicht und zwei Ansammlungen von Nervenzellen – eine in der Spitze des verdickten Endteils und der andere am Ende des Spermiengangs. Im Umfeld des hinteren Nervenzellhaufens konnten die Biologen sogar Neurotransmitter nachweisen.

Aufbau des Palpalorgans: Eine Drüse produziert Kopulationssekret, die Spermien werden in einem speziellen Gang aufbewahrt. © Matías A. Izquierdo , Gonzalo D. Rubio /Journal of Insect Science/ CC-by-sa 3.0

„Unsere Daten liefern den ersten Beleg für die Existenz von neuronalem Gewebe im Kopulationsorgan des Spinnenmännchens“, sagen Lipke und ihre Kollegen. „Das spricht dafür, dass diese Organe des Männchens keineswegs gefühlstaub sind, sondern dass Sinnesreize durchaus eine wichtige Rolle bei der Kopulation spielen könnten.“

Eingebauter Verformungssensor

Es gibt sogar erste Hinweise darauf, welche Reize die Spinnen mit ihrem Kopulationsorgan wahrnehmen. Denn Nervenzellen und Nerv sind mit der äußeren Hülle des Pedipalpen verbunden. Das könnte darauf hindeuten, dass diese Neuronen Dehnungen und Stauchungen der Kutikula spüren. „Obwohl nur die Spitze des Organs bei der Paarung in die weiblichen Genitalien eingeführt wird, übertragen sich die Spannungen und Stauchungen von der Kontaktfläche auf die ganze Pedipalpenspitze“, erklären Lipke und ihre Kollegen.

Damit könnten die Spinnenmännchen nicht nur ihre Palpenspitze treffsicherer in das Geschlechtsorgan der Partnerin manövrieren, möglicherweise hilft es ihnen sogar dabei, den Sex angenehmer zu gestalten: „Ein sensibles Palpalorgan könnte beispielsweise genutzt werden, um das Weibchen zum Vorteil des Männchen zu stimulieren“, so die Forscher. Weil viele Spinnenweibchen alles andere als geduldige und friedfertige Genossinnen sind, könnte diese Stimulation dem Männchen unter Umständen sogar das Leben retten.

Zweck bleibt unklar

Alternativ wäre aber auch denkbar, dass die Spinnen die neuentdeckten Sinnesorgane nutzen, um zu registrieren, ob ihnen ein Rivale zuvorgekommen ist, mutmaßen die Forscher. Wenn dieser beispielsweise die Genitalien des Weibchens mit einem Schleimpfropf gesichert hat, könnte das nachfolgende Spinnenmännchen dies vielleicht erspüren und dann eine speziell zusammengesetzt Paarungsflüssigkeit übertragen.

Das aber sind bisher alles Spekulationen. Was das Spinnenmännchen beim Sex wirklich spürt und warum, bleibt damit vorerst sein Geheimnis. (Royal Society Biology Letters, 2015; doi: 10.1098/rsbl.2015.0465)

(Royal Society, 08.07.2015 – NPO)

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