Medizin

Medikamente können Moral beeinflussen

Wirkstoffe gegen Depression und Parkinson verändern Entscheidungen gesunder Probanden

Medikamente, die die Hirnbotenstoffe beeinflussen, können auch unser Verhalten verändern. © freeimages

Unmoralischer durch Arzneimittel? Mittel gegen Parkinson oder Depression könnten unsere moralischen Entscheidungen beeinflussen. Darauf deutet ein Experiment britischer Forscher hin. In diesem waren gesunde Probanden eher bereit, für ihren Profit leichte Stromschläge auszuteilen, wenn sie unter Einfluss eines Parkinson-Mittels standen. Mit einem Antidepressivum verzichteten sie dagegen eher auf das Geld. Ursache ist der Effekt dieser Mittel auf die Hirnbotenstoffe – ob dies aber auch für Patienten mit Depression oder Parkinson gilt, ist noch offen.

Ob wir moralisch handeln und wie sehr, hängt von ziemlich vielen Faktoren ab: Es spielt beispielsweise eine Rolle, in welcher Sprache wir vor moralische Entscheidungen gestellt werden, aber auch, welche Tageszeit gerade herrscht.

Wie Hirnbotenstoffe unser Verhalten prägen

Und auch die Botenstoffe unseres Gehirns spielen dafür eine wichtige Rolle, wie Studien zeigen. So sorgt das Glückshormon Dopamin nicht nur für das Hochgefühl, es kann auch impulsive Aggressionen fördern und sogar kriminelles und psychopathisches Verhalten. Das Serotonin scheint dagegen solche Impulse eher zu schwächen: Es dämpft Angst und Aggression, bei gewalttätigen Verbrechern ist seine Konzentration eher verringert.

Und genau hier kommen Medikamente ins Spiel. Denn gängige Mittel gegen Depression, die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, beeinflussen den Serotoninspiegel im Gehirn. Der Parkinson-Wirkstoff Levodopa erhöht dagegen den Dopamingehalt. Molly Crockett von der University of Oxford und ihre Kollegen haben nun untersucht, welche Auswirkungen diese gängigen Medikamente auf das moralische Verhalten gesunder Menschen haben.

Geld für Stromschläge

In ihrem Experiment verabreichten die Forscher 89 gesunden Probanden entweder das Antidepressivum Citalopram oder ein Placebo, weitere 89 Teilnehmer erhielten entweder das Parkinsonmittel Levodopa oder ein Placebo. Weder die Probanden noch die Forscher wussten, wer was bekam.

Dann begann der eigentliche Test: Ein Teil beider Gruppen konnte sich eine geringe Geldsumme erkaufen, indem sie sich freiwillig leichte Stromschläge zufügen ließen. Sie konnten beispielsweise wählen zwischen zehn britischen Pfund für sieben Schocks oder 15 Pfund für zehn Schocks. Andere Probanden bekamen Geld, wenn sie anderen diese Stromschläge zufügten. Den Forschern ging es darum zu ermitteln, wie sehr die Teilnehmer bereit waren, ihren jeweiligen „Opfern“ für den eigenen Gewinn Schmerzen zuzufügen.

Verringerter Altruismus

Das Ergebnis: Normalerweise sind Menschen eher bereit, selbst Schmerzen zu erleiden, als ihn anderen zuzufügen – auch wenn sie davon profitieren würden. Dieser sogenannte Hyperaltruismus war jedoch bei den Probanden unter Levodopa-Einfluss deutlich reduziert. „Die Probanden scheuten nicht stärker davor zurück, ihren Partnern einen Schock zu verpassen als ihn selbst auf sich zu nehmen“, berichten Crockett und ihre Kollegen. Dadurch verpassten sie ihren „Opfern“ im Durchschnitt rund zehn Stromschläge mehr als die Teilnehmer mit einem Placebo.

Das Antidepressivum Citalopram erhöhte dagegen die Hemmschwelle: Die Probanden entschieden sich unter Einfluss des Mittels häufiger gegen das Geld und seltener für den Elektroschock – sowohl an sich als auch an anderen.

„Klarer Effekt gängiger Medikamente“

„Dies zeigt, dass Serotonin und Dopamin unsere moralischen Entscheidungen auf merkliche Weise beeinflussen“, so die Forscher. Für Moral stand in diesem Fall die Bereitschaft, anderen Schmerz zuzufügen oder aber zugunsten anderer auf Gewinn zu verzichten. Und nicht nur das: Auch einige der gängigsten Medikamente verändern das moralische Handeln. „Das wirft wichtige ethische Fragen über die Nutzung dieser Wirkstoffe auf“, meint Crockett.

Allerdings: Die Forscher betonen auch, dass ihr Experiment mit gesunden Probanden durchgeführt wurde, diese hatten dadurch einen Überschuss des jeweiligen Neurotransmitters. Werden die Mittel gegen Depressionen oder Parkinson eingesetzt, gleiche sie bei korrekter Dosierung nur ein Defizit aus. „Es ist daher wichtig zu betonen, dass diese Arzneimittel bei Patienten andere Effekte haben könnten als bei Gesunden“, sagt Crockett.

Ob diese Medikamente auch die moralischen Entscheidungen von Menschen beeinflussen, die diese Mittel gegen ihre Depression oder gegen Parkinson erhalten, muss daher erst in weiteren Studien herausgefunden werden, so die Forscher. (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.05.021)

(University College London, 06.07.2015 – NPO)

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