Geheimnisvolle Geräusche: In einem Gebiet am Roten Meer verursachen Erdbeben rätselhafte Begleitgeräusche – es klingt wie das Grollen einer Kanone oder einer Explosion. Was diese „Kanonen-Beben“ auslöst, war jedoch bisher unbekannt. Jetzt haben Seismologen das Rätsel gelöst: Eine spezielle tektonische Konfiguration ist schuld. Ein starrer großer Block der Erdkruste wirkt wie ein Verstärker, der das Brechen des Gesteins im Untergrund verstärkt.
Die Region um das ägyptische Abu Dabbab am Roten Meer ist seismisch ziemlich aktiv: Häufig wird sie von ganzen Erdbebenschwärmen erschüttert, die allerdings nur Magnituden von 0,5 bis 3,5 erreichen – also eher schwach ausfallen. Dafür aber werden diese Minibeben von einem seltsamen Phänomen begleitet: Immer wenn der Untergrund ruckt und schwankt, wird es laut. Selbst bei nur schwächen Erschütterungen klingt es dann, als wenn ein Kanone abgefeuert wird oder sogar eine Sprengladung explodiert.
Verborgene Verwerfung
Was aber löst diese seltsamen und ziemlich einzigartigen Begleitgeräusche aus? Sami El Khrepy von der King Saud University in Riad und seine Kollegen haben diese Frage nun genauer untersucht. Für ihre Studie nutzten sie Daten lokaler Messstationen und vom Nationalen Seismischen Netzwerk Ägyptens, um damit eine seismische Tomografie durchzuführen. Dabei wird das Verhalten der Bebenwellen im Untergrund genutzt, um daraus auf die Beschaffenheit des Gesteins zu schließen.
Mit Hilfe dieser seismischen Daten erstellten die Forscher erstmals eine 3D-Karte des Untergrunds rund um Abu Dabbab – und machten so sichtbar, was die Kanonen-Beben auslöst. Wie sich zeigte, liegt tief unter dieser Region eine aktive Verwerfung. Wenn sich entlang dieser Spalte Gestein verschiebt, saugt diese Bewegung Wasser aus dem nahen Roten Meer in die Ritzen und Spalten und wirkt wie ein Gleitmittel. Die Krustenteile reiben aneinander und erzeugen dabei hochfrequente Geräusche – die normalerweise für uns nicht hörbar wären.
Verstärker-„Deckel“ aus vulkanischem Gestein
Dieses Ensemble wird jedoch von einem zehn Kilometer dicken Block aus massivem, altem Vulkangestein überdeckt. Er geht auf Eruptionen zurück, die schon vor mehr als 500 Millionen Jahren stattfanden. Dieser gewölbte „Deckel“ aus Stein über der Verwerfung wirkt wie ein Verstärker, wie die Forscher berichten.
Das hochfrequente Geräusch des aneinander reibenden Gesteins dringt durch diesen starren Block ungedämpft an die Oberfläche, wie die Forscher berichten. Dort wird es dann als „Kanonendonner“ oder Explosionsgrollen hörbar. Die neu entdeckte Verwerfung samt „Verstärker“ widerlegt damit frühere Erklärungsversuche, nach denen aufquellendes Magma die Beben und das Grollen verursachen sollte. „Die Seismizität in dieser Zone ist eindeutig tektonischen und nicht vulkanischen Ursprungs“, so El Khrepy. (Bulletin of the Seismological Society of America, 2015)
(Seismological Society of America, 16.06.2015 – NPO)