Wo schaut mein Besitzer hin? Hunde verstehen menschliche Blicke nicht nur dann, wenn sie auf Futter oder Spielzeug hindeuten. Auch wenn wir einfach nur zur Tür blicken, registriert der Hund dieses subtile Signal, wie Forscher jetzt erstmals belegt haben. Ob Hunde diese Form der nonverbalen Kommunikation wirklich beherrschen, war bisher strittig. Das Experiment zeigt nun auch warum: Training kann dieses instinktive Lesen der Signale stören.
Dass Hunde uns Menschen erstaunlich gut „lesen“ können, haben schon viele Experimente belegt. So erkennen die Vierbeiner unser Lächeln als Ausdruck guter Stimmung, ziehen wertvolle Informationen aus unserer Tonlage beim Sprechen und lassen sich von unserem Gähnen anstecken. Auch Gesten verstehen sie problemlos.
Blicke „lesen“ nur auf Aufforderung?
Eine Fähigkeit war jedoch bisher unklar: Ob auch dann unseren Blicken folgen, wenn sie nicht ausdrücklich dazu aufgefordert werden, beispielsweise etwas zu finden. Bisher wusste man von Primaten, Delfinen, einigen Vögeln und Wölfen, dass sie diese subtile Form der Kommunikation beherrschen. Hunde schienen aber seltsamerweise nur dann auf Blicke zu reagieren, wenn sie konkrete Hinweise auf verstecktes Futter oder Spielzeug erwarteten.
Lisa Wallis von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und ihre Kollegen haben nun erneut überprüft, ob Hunde unsere Blicke verstehen. Sie testeten dafür das Verhalten von 145 Border Collies im Alter zwischen 6 Monaten und 14 Jahren. Wallis führte den Test durch, indem sie im Testraum mit einem interessierten Gesichtsausdruck zur Tür blickte. Dabei wurde aufgezeichnet, ob die Hunde ihrem Blick folgten.
Es klappt doch – zumindest teilweise
Wie sich zeigte, klappte dies etwa bei der Hälfte der Hunde. Während das Alter der Hunde keinen Einfluss darauf hatte, ob sie dem Blick folgen oder nicht, spielte die Ausbildung jedoch eine große Rolle. Hunde, die zuvor darauf trainiert wurden, direkten Blickkontakt mit Menschen herzustellen, schnitten im Test schlechter ab.
„Die Hunde lernen möglicherweise im Laufe ihres Lebens menschliche Blicke zu ignorieren, weil die meisten dieser Blicke für die Hunde gar keine Bedeutung haben“, mutmaßt Wallis. Hinzu komme, dass Hunde häufig darauf trainiert werden, ihren Halterinnen oder Haltern ins Gesicht zu schauen und auf ein Kommando zu warten. „Diese Art des Trainings könnte verhindern, den Blicken in die Ferne zu folgen“, so die Forscherin.
Training stört
Um den Einfluss von Training weiter zu testen, teilte Wallis die Hunde in zwei Gruppen ein. Eine Gruppe erhielt ein intensives Training, bei dem sie fünf Minuten lang übten, Blickkontakt mit einer Person herzustellen. Im Gegensatz dazu wurde eine zweite Gruppe darauf trainiert, einen Tennisball mit der Pfote zu berühren. Dabei handelte es sich also um ein ganz anderes Setting, dass zwar Training und Interaktion mit einer Person beinhaltete, jedoch kein Blickkontakt-Training.
Wallis führte nun den Blickfolge-Test mit diesen Hunden nochmals durch. Es zeigte sich, dass jene Hunde, die auf Blickkontakt trainiert waren, seltener dem Blick auf die Tür folgten. Sie verweilten mit ihrem Blick im Gesicht der Studienleiterin und warteten auf eine Belohnung. Hunde aus der „Tennisball-Gruppe“ folgten dem Blick zur Tür viel häufiger. #“Wahrscheinlich war diese Art des Trainings auch der Grund dafür, dass Hunde in früheren Studien schlechter abschnitten als andere Tierarten“, meint Wallis. (Animal Behaviour, 2015; doi: 10.1016/j.anbehav.2015.04.020)
(Veterinärmedizinische Universität Wien, 15.06.2015 – NPO)