Die Suche nach Philae geht weiter: Auf Bildern der Kometenoberfläche von 67P/Churyumov-Gerasimenko sind mehrere helle Flecken erkennbar, die von der verschollenen Rosetta-Landeeinheit stammen könnten. Aus weiteren Daten lässt sich Philaes Landegebiet genauer eingrenzen – und einer der gefundenen Punkte liegt ganz nah an dieser Region. Noch mehr hoffen die Forscher jedoch darauf, dass Philae sich bald aus eigener Kraft zurück meldet.
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Die Landung von Philae verlief nicht wie geplant, aber spektakulär: Am 12. November 2014 setzte die Landeeinheit der Raumsonde Rosetta zunächst nahezu punktgenau auf der Landestelle Agilkia auf dem „Kopf“ des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko auf. Doch die Systeme, die Philae auf dem Kometen festhalten sollten, versagten – die Sonde prallte ab, trudelte unkontrolliert über die Kometenoberfläche davon und landete schließlich offenbar in einer Felsspalte. Alle geplanten wissenschaftlichen Experimente waren jedoch durchführbar: Philae lieferte eine Flut von Daten über den Aufbau von 67P/Churyumov-Gerasimenko und atemberaubende Bilder vom Kometen aus nächster Nähe.
Fußabdrücke im Staub
Doch dann wurde es dunkel: Die Solarzellen der Sonde bekamen an ihrem Standort nicht genug Licht, um die Batterien zu laden. Philae ging nach 57 Stunden der Strom aus und fiel in eine Art Winterschlaf, aus dem der Lander trotz Hoffen und Warten auf mehr Sonnenlicht bislang nicht wieder erwacht ist. Und sein genauer Aufenthaltsort ist nach wie vor unbekannt.
Nun aber gibt es eine ganze Reihe neuer Anhaltspunkte, wo Philae stecken könnte. Rosetta hat aus ihrer Umlaufbahn um den Kometen mittlerweile einen guten Überblick: Sowohl ihre Navigationskameras als auch das hochauflösende wissenschaftliche Kamerasystem OSIRIS konnten Philaes erste Landestelle identifizieren. Der Lander hinterließ dort regelrechte Fußabdrücke im Staub der Kometenoberfläche, als er abprallte.
Ein kleiner Fleck am Horizont
Nach Verlassen der Landestelle Agilkia taucht der weiterfliegende Lander erneut in OSIRIS- und NavCam-Schnappschüssen auf. Eine weitere Aufnahme von OSIRIS, die einige Zeit später entstand, zeigt einen hellen Fleck über dem Horizont der großen Hatmehit-Vertiefung auf dem „Kopf“ des Kometen. Möglicherweise ist dies Philae.
Mit diesen Bildern und Daten von Philaes eigenen Instrumenten konnten die Forscher die Flugrichtung bestimmen, in der Philae die erste Landestelle verließ. Doch den Lander anhand dieser Informationen in OSIRIS-Aufnahmen der möglichen Landeregion zu finden, ist eine knifflige Aufgabe: Das Terrain ist äußerst zerklüftet, und Philae ist schlicht zu klein, um leicht auffindbar zu sein. Bei der Auflösung der Kameraoptik bedeckt der Lander gerademal einige wenige Pixel. Dennoch haben die Forscher einige erste Kandidaten entdeckt: helle Flecken, die nur wenige Pixel breit sind. Doch ist einer davon wirklich Philae?
Mehrere mögliche Lander-Kandidaten
Zum Glück gibt es weitere Informationen: Im Rahmen des CONSERT-Experiments tauschten Philae und Rosetta Radiosignale miteinander aus, um die innere Struktur des Kometen zu analysieren. Aus Messungen der Signallaufzeit zwischen Rosetta und Philae, der bekannten Flugbahn von Rosetta und dem derzeit besten Modell der Form des Kometen konnte das CONSERT-Team diese Stelle auf eine Ellipse eingrenzen. Diese bisher beste Abschätzung der Region, in der sich Philae voraussichtlich befindet, liegt direkt am Rand des Hatmehit-Beckens und misst etwa 16 Meter mal 160 Meter.
Die CONSERT-Ellipse schließt die meisten Kandidaten aus den OSIRIS-Bildern aus. Allerdings gibt es mindestens einen Kandidaten in unmittelbarer Nähe sowie weitere in der Umgebung. „Wir haben mehrere mögliche Lander-Kandidaten in OSIRIS-Aufnahmen identifiziert, sowohl grob in der Region, die CONSERT vorgibt, als auch in der Umgebung“, sagt OSIRIS-Leiter Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.
Ist das wirklich Philae?
Helle Flecken treten auf der Oberfläche des Kometen recht häufig auf – aber nur einer davon kann Philae sein. Die meisten dieser Flecken blitzen nur kurzzeitig auf und sind nicht von Dauer. Die Wissenschaftler durchforsteten darum die OSIRIS-Aufnahmen nach hellen Punkten, die nach der Landung dauerhaft zu sehen waren, aber nicht davor. In Aufnahmen vom 12. und 13. Dezember 2014 entdeckten sie schließlich einen vielversprechenden Kandidaten.
Doch ob dies wirklich Philae ist, können die Forscher leider noch nicht mit Gewissheit sagen. Der Kandidat erfüllt eine ganze Reihe von Randbedingungen und entspringt eindeutig keinem Staubkorn oder Detektorfehler. Allerdings befindet er sich knapp außerhalb der CONSERT-Ellipse. Dafür könnte es jedoch mehrere Gründe geben: Zum einen die bislang herrschende Ungenauigkeit bei den CONSERT-Messungen, andererseits könnte sich auch in der Zeit zwischen den einzelnen Aufnahmen das Terrain des Kometen verändert und so die Bilder verzerrt haben.
Aufwachen in den nächsten Wochen?
Letztendlich sind daher höher aufgelöste Aufnahmen nötig, um Philae zweifelsfrei aufzuspüren – und somit weitere nahe Vorbeiflüge am Kometen. Wegen der zunehmenden Aktivität von 67P dürfte dies aber in der nahen Zukunft nicht möglich sein. Im späteren Verlauf der Mission sollte Rosetta jedoch wieder in der Lage sein, nah an den Kometenkern heranzusteuern.
Ein weiteres Szenario, das die Suche beschleunigen würde: Wenn Philae genug Energie erhält, um aus seinem Dornröschenschlaf aufzuwachen. CONSERT könnte dann weitere Messungen durchführen und die Unsicherheiten bezüglich Philaes Aufenthaltsort deutlich verringern. Derzeit schläft Philae noch. Das Philae-Team ist jedoch zuversichtlich, dass Philae in den nächsten Wochen oder Monaten genug Energie erhält, um aufzuwachen und ein Signal an Rosetta zu senden.
(MPI für Sonnensystemforschung, 12.06.2015 – AKR)