Rechnende Tropfen: Für logische Operationen benötigt dieser Computer nur Wassertropfen, ein paar Eisenstäbchen und ein Magnetfeld. Denn bei ihm bestehen die Bits nicht aus elektrischen Signalen, sondern aus Tropfen. Dass man mit einem so simplen Konstrukt auch rechnen kann, haben US-Forscher nun mit ihrer ungewöhnlichen Erfindung demonstriert. Sie laden nun Tüftler der ganzen Welt dazu ein, selbst solche Tropfencomputer zu bauen und weiterzuentwickeln.
Das ist der Normalfall: Die meisten Computer verarbeiten die Nullen und Einsen des digitalen Codes in Form elektrischer Signale – Strom fließt oder eben nicht. In optischen Leitern und den ersten Versuchen optischer Computer übernehmen Lichtpulse diese Aufgabe und auch Magnet-Polungen als Bits gibt es schon.
Tropfen, Magnetfelder und ein Eisenlabyrinth
Ziemlich exotisch scheint dagegen die Idee von Manu Prakash von der Stanford University und seinen Kollegen: Sie haben einen Schaltkreis konstruiert, der mit Wassertropfen arbeitet. „Tropfen sind vielseitige digitale Materialien: Sie können in hohen Mengen produziert werden, dienen als chemische Minireaktionsgefäße und können Objekte transportieren“, erklären die Forscher. „Zudem lassen sie sich durch elektrische, optische, akustische und magnetische Kräfte manipulieren.“
Aber wie lässt sich aus ihnen ein Computer bauen? Prakash und seine Kollegen nutzen dafür Wassertropfen, die winzige Eisenspäne enthalten. Auf diese Weise magnetisiert, lässt sich die Bewegung dieser Tropfen mit Hilfe von wechselnden Magnetfeldern kontrollieren. Die Tropfen übernehmen damit quasi die Funktion von Elektronen in herkömmlichen Schaltkreisen. Der Schaltkreis selbst besteht beim Tropfencomputer aus kleinen Eisenbälkchen, die zu einer Art Labyrinth angeordnet sind.
Alle logischen Verknüpfungen möglich
Angetrieben von dem rotierenden Magnetfeld bewegen sich die Tropfen in diesen Schaltkreis und können gezielt und getaktet bestimmte Operationen durchführen. Ob sich an einer bestimmten Stelle des Gitters ein Tropfen befindet oder nicht entspricht dabei einer Null oder Eins im digitalen System. „indem wir die Anordnung der Bälkchen auf diesem Chip ändern, können wir alle die logischen Gatter erzeugen, die in der Elektronik verwendet werden“, sagt Prakash.
Der Tropfencomputer kann dadurch die gleichen logischen Operationen wie ein konventioneller elektronischer Rechner durchführen – wenn auch deutlich langsamer. In ihren Praxistests produzierten die Forscher bereits ODER/UND-Gatter, aber auch NICHT-UND und NUR-ODER-Gatter. Auch ein Addierer, der Tropfen zählt, schufen sie mit Hilfe dieses simplen Systems. „Unser System demonstriert sowohl kombinatorische als auch sequenzielle Logik und ermöglicht damit einen einzigartige Form der physikalischen Logik und des Speicherns“, so die Forscher.
Anwendung in der Analyse
„Unser Ziel ist es dabei nicht, mit elektronischen Computern zu konkurrieren oder Textverarbeitung darauf laufen zu lassen“, erklärt Prakash. „Wir wollen stattdessen eine völlig neue Klasse von Computern bauen, die physikalische Materie präzise kontrollieren und manipulieren können.“ Der Computer führt nicht nur logische Operationen durch, die Art, wie und wohin die Tropfen wandern, könnte seiner Ansicht nach auch direkt praktisch genutzt werden.
Eine mögliche Anwendung wäre beispielsweise in Laboren, die automatisierte biologische und chemische Analysen durchführen. Statt die Reaktionen in Reagenzgefäßen ablaufen zu lassen und die Proben über Leitungen und Pipetten zu verteilen, könnte jeder Tropfen präzise getaktet Chemikalien transportieren und so als Reaktionsgefäß oder als Transporteur für Analysesubstanzen dienen. Aber auch Anwendungen in der Herstellung von Mikromaterialien oder Objekten können sich die Forscher vorstellen.
Tropfencomputer für alle
Die Forscher wollen die Pläne und Hilfen für ihren Tropfencomputer demnächst im Internet veröffentlichen. Dann könnte jeder mit Spaß am Tüfteln sich selbst einen solchen Tropfencomputer bauen. „Jeder kann dann diese Schaltkreise zusammenbauen und ohne externe Kontrolle einen komplexen Tropfenprozessor entwickeln“, so Prakash. Er hofft, dass dadurch viele weitere Varianten ihres Prototyps entwickelt werden.
Die Wissenschaftler planen, an einer weiteren Miniaturisierung ihres Tropfencomputers zu arbeiten. Bisher haben die Tropfen etwa die Größe eines Mohnkörnchens und der Schaltkreis die einer halben Briefmarke. „Wir wollen ihn aber noch kleiner machen, damit er mehr Operationen auf einem Chip durchführen kann“, sagt Koautor Jim Cybulski. „Auch dadurch könnten weitere Anwendungen möglich werden.“ (Nature Physics, 2015; doi: 10.1038/nphys3341)
(Stanford University, 11.06.2015 – NPO)