Medizin

Koffein hilft bei chronischem Stress

Der Kaffee-Inhaltsstoff blockiert einen Stressfolgen auslösenden Rezeptor im Gehirn

Koffein mindert die Folgen von chronischem Stress © iStock.com

Ständig Stress? Dann könnte mehr Kaffeetrinken helfen. Denn Koffein macht nicht nur wach, es wirkt auch den typischen Stressfolgen wie Angst, Depression oder Gedächtnisproblemen entgegen, wie eine Studie mit Mäusen nahelegt. Demnach blockiert das Koffein eine Andockstelle im Gehirn, die über eine ganze Kaskade von Reaktionen diese Stresssymptome verursacht. Diese Erkenntnis könnte auch für die Stresstherapie beim Menschen neue Ansatzstellen eröffnen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Chronischer Stress macht bekanntlich krank: Wer sich dauerhaft mit Kollegen herumärgert, im Schlaf häufig gestört wird oder vom Chef eine kurzfristige Deadline nach der anderen vorgesetzt bekommt, steht unter Dauerstress. Und das hat Folgen: Chronischer Stress senkte die Konzentrationsfähigkeit, fördert Depressionen und Ängste und kann zum Burnout führen.

Interessanterweise trinken die meisten Menschen in Stresssituationen mehr Kaffee. Das beliebte Aufputschmittel macht aber nicht nur wach und stärkt das Gedächtnis, das Koffein könnte auch die typischen Stressfolgen mindern – das zumindest vermuteten Manuella Kaster von der Universität von Coimbra in Portugal und ihre Kollegen. Ob das wirklich der Fall ist, haben sie nun untersucht.

Weniger Stresssymptome nach Koffein

In ihrer Studie verabreichten die Forscher Mäusen sechs Wochen lang Koffein mit dem Trinkwasser, die Dosis lag bei einem Gramm pro Liter. Während dieser Zeit setzten sie diese Mäuse und eine Kontrollgruppe ohne Koffein wiederholt starkem Stress aus: Die Tiere mussten in einem Becken schwimmen, ein exponiertes Labyrinth durchqueren und wurden am Schwanz in die Höhe gehoben.

Die Folgen dieses ständigen Stresses waren an den Kontrolltieren klar zu erkennen: Sie nahmen ab, schnitten bei Gedächtnistests schlechter ab als zuvor, saßen teilnahmslos im Käfig herum und ihr Immunsystem reagierte schwächer. Anders bei den Mäusen, die Koffein erhalten hatten: Ihre Stresssymptome waren deutlich schwächer, wie die Forscher berichten. Sie waren weniger ängstlich, schnitten bei den Gedächtnistests besser ab und zeigten auch im Hirnstoffwechsel eine Normalisierung der Botenstoffe und Gehirnzellen.

Dahinter steckt ein Rezeptor im Gehirn

Hinter dieser stress-schützenden Wirkung des Koffeins steht eine spezielle Andockstelle im Gehirn, der Adenosinrezeptor A2A. Wie die Forscher herausfanden, wird dieser Rezeptor bei Stress hochreguliert und dies löst eine Reaktionskaskade aus, die letztlich die Stresssymptome verursacht. Das Koffein aber dockt an diesen Rezeptor an und blockiert dadurch diese Stresskaskade.

„Wurde in den Mäusen das Gen, das den Rezeptor A2A codiert, stumm geschaltet oder wurde der Rezeptor durch Koffein oder spezifische A2A-Hemmer blockiert, dann klangen die Beschwerden durch den anhaltenden Stress ab“, berichtet Koautorin Christa Müller von der Universität Bonn.

Koffein-Therapie gegen Stress?

Nach Ansicht der Forscher wirkt das Koffein beim Menschen wahrscheinlich ähnlich. Der Kaffee-Inhaltsstoff könnte daher durchaus ein vielversprechender Ansatzpunkt für Stresstherapien sein. Intuitiv nutzen viele Menschen diesen Koffein-Effekt ohnehin längst: „Die Erfahrung zeigt: Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee“, so Müller. „Weil in beiden Getränken Koffein enthalten ist, handelt es sich dabei um so etwas wie eine Eigenbehandlung der Betroffenen.“

Allerdings hat Koffein gerade in höherer Dosierung auch unerwünschte Nebenwirkungen: Es hält wach und kann bei einigen Menschen zu Bluthochdruck führen. Deshalb haben die Forscher einen Wirkstoff entwickelt und getestet, der ähnlich wie das Koffein am A2A-Rezeptor ansetzt. „Die Substanz ist dem Koffein sehr ähnlich, hat aber weniger Nebenwirkungen“, berichtet Müller. „Sie blockiert ausschließlich die A2A-Rezeptoren und wirkt deutlich stärker als das Koffein.“

Ob sich diese Substanz zur Behandlung von Stress und Stressfolgen beim Menschen eignet, müssen nun n weitere Studien zeigen. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2015; doi: 10.1073/pnas.1423088112)

(Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn / PNAS, 09.06.2015 – NPO)

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