1.000 Virenstämme auf einen Streich: Ein neuer Test erkennt nahezu alle aktuellen und vergangenen Virusinfektionen eines Menschen in nur einem Tropfen Blut. Statt mühsam jeden Virus einzeln nachzuweisen, reagiert der Test auf Antikörper gegen 1.000 verschiedene Virenstämme. Die Methode ist damit nicht nur schnell und umfassend, sie ist auch noch günstig: Ein Scan kostest nur 25 US-Dollar, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Wenn man wissen will, ob ein Patient an einem Virus erkrankt ist, nutzt man meist einen indirekten Nachweis: Man fahndet nicht nach dem Virus selbst, sondern nach den spezifischen Antikörpern, die das Immunsystem gegen die Oberflächenproteine des Virus produziert hat. Doch die
herkömmliche Tests können immer nur ein Virus auf einmal nachweisen. Weiß man nicht genau, wonach man sucht, müssen daher mehrere Tests nacheinander oder nebeneinander durchgeführt werden.
Alle auf einmal
Doch das geht jetzt schneller und einfacher. Denn George Xu von der Harvard University in Cambridge und seine Kollegen haben einen Kombi-Test entwickelt, der in nur einem Tropfen Blut nach Antikörpern gegen 1.00 verschiedenen Virenstämme gleichzeitig sucht. Damit erfasst der Test alle 206 Virenarten, die den Menschen befallen und viele ihrer häufigsten Stämme.
„Statt auf jeden Virus einzeln zu testen, was viel Arbeit macht, können wir sie nun alle auf einmal nachweisen“, sagt Seniorautor Stephen Elledge vom Howard Hughes Medical Institute in Boston. Der VirScan getaufte Test weist dabei nicht nur aktuelle Infektionen nach, sondern auch vergangene. Denn auch wenn eine Infektion schon überwunden ist, bleiben Antikörper gegen den Erreger im Blut erhalten. „Dadurch können wir praktisch in der Zeit zurückschauen und sehen, mit welchen Viren ein Mensch Kontakt hatte“, so Elledge.
Bakteriophagen als Helfer
Der Test funktioniert ähnlich wie die gängigen auf der Basis von Antikörpern. Um ihn zu entwickeln, sequenzierten die Forscher zunächst mehr als 95.000 kurze DNA-Stücke der Ziel-Viren. Diese Stücke enthielten die Bauanleitung für bestimmte Peptide der Erreger. Diese Bauanleitungen schleusten die Forscher dann jeweils einzeln in Bakteriophagen ein, bakterienbefallende Viren. Jeder dieser Bakteriophagen produzierte dadurch das Erkennungspeptid eines jeweils anderen Krankheitserregers auf seiner Oberfläche – insgesamt erhielten die Forscher so Bakteriophagen, die 1.000 verschiedenen Virenstämme nachahmten.
Für den eigentlichen Test reicht dann ein Tropfen Blut. Zu diesem wird die Testlösung mit den
Bakteriophagen gegeben und die Antikörper im Blut der Testperson reagieren nun mit den vermeintlichen Erregerproteinen. Für die Analyse werden an die Bakteriophagen angedockten Antikörper aus dem Blut isoliert und die DNA der Bakteriophagen sequenziert. Dadurch lässt sich direkt erkennen, welche Antikörper im Blut vorhanden sind und damit auch, gegen welche Viren das Immunsystem schon einmal aktiv war.
Zehn Viren pro Kopf
Um die neue Methode zu testen, führten die Forscher den VirScan bei knapp 600 Menschen aus Südafrika, Thailand, Peru und den USA durch. „Wie sich zeigte, funktioniert das wirklich gut“, sagt Elledge. „Allein in diesen Tests haben wir mehr Antikörper-Peptid-Interaktionen identifiziert als in der gesamten Geschichte der Virenforschung zuvor.“ Wichtig auch: Die Sensibilität des Tests lag bei rund 95 bis 100 Prozent, wie die Forscher berichten. Und spezifisch genug ist VirScan offenbar auch: „Wir haben keine falsch positiven Ergebnisse bei Probanden gehabt, die in Wirklichkeit negativ waren“, sagt Elledge.
Wie die Forscher feststellten, trug jeder Teilnehmer im Durchschnitt Antikörper gegen rund zehn Viren in sich. Bei den Probanden aus den südlichen Ländern waren es etwas mehr wie bei den US-Amerikanern. Einige Antikörper fanden sich allerdings in nahezu jedem Teilnehmer – was Rückschlüsse auf die Verbreitung bestimmter Erreger zulässt und auch bei der Impfstoff-Entwicklung helfen könnte.
Günstig und hocheffektiv
„Damit haben wir demonstriert, dass VirScan ein sensitiver und spezifischer Test ist, der Virenkontakt in der ganzen Bandbreite menschlicher Viren nachweisen kann“, konstatieren die Forscher. Weil der Test minimale Proben benötigt und geringe Kosten verursacht, ermöglicht er das effektive Screening von große Mengen von Proben. Dadurch wird es künftig leichter, beispielsweise einen Überblick über die generelle Virenbelastung der Menschheit oder bestimmter Bevölkerungen zu gewinnen.
Wie die Forscher berichten, lässt sich der Test zudem auf andere Antikörper ausweiten – beispielsweise die Antikörper, die bei Autoimmunerkrankungen irrtümlicherweise die eigenen Gewebe angreifen. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aaa0698)
(Howard Hughes Medical Institute / Science, 05.06.2015 – NPO)