Wackelkandidat: Ein großer Felsbrocken auf dem Rosetta-Kometen sieht aus, als balanciere er auf der Kante einer Mulde. Solche Wackelsteine sind auch von der Erde bekannt – ob die wacklige Position des Felsens auf dem Kometen auf dieselbe Art entstanden ist, können die Astronomen jedoch noch nicht sagen. Mit der zunehmenden Aktivität des Kometen könnte sich die Position des Wackelsteins jedoch weiter verändern.
Der von der Raumsonde Rosetta umkreiste Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko sorgt weiterhin für überraschende und faszinierende Bilder. Unter den Felsbrocken auf dem Kometen haben die Astronomen nun in der Region Aker eine besonders außergewöhnliche Felsformation entdeckt. Der größte Stein in einer Gruppe von drei Felsbrocken sticht heraus: Er scheint auf dem Rand einer Vertiefung zu balancieren und ruht offenbar nur auf einer sehr kleinen Auflagefläche.
Reise an den kippeligen Standort
Geologische Formationen dieser Art kommen auch auf der Erde vor. Die zum Teil riesigen Gesteinsbrocken berühren den Untergrund nur mit einem winzigen Teil ihrer Oberfläche und muten an, als würden sie jeden Moment umkippen oder herunterfallen. Einige lassen sich in der Tat bewegen und werden dann als Wackelsteine bezeichnet. In Deutschland finden sich solche etwa im Bayrischen Wald oder im Fichtelgebirge.
Oftmals sind diese Felsbrocken an Bord von Gletschern zu ihrem heutigen, kippeligen Standort gereist. In anderen Fällen haben Wind und Wasser weicheres Gestein in der Umgebung abgetragen und den Wackelstein freigelegt.
Unbekannte Entstehungsprozesse
„Wie der mögliche Wackelstein auf dem Kometen entstanden ist, lässt sich noch nicht sagen“, erklärt Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Es sei aber denkbar, dass auch auf dem Kometen Transportprozesse eine Rolle spielen. Der aktive Komet spuckt nach und nach Material von seiner Oberfläche ins All und trägt es ab. Dadurch könnten auch Felsbrocken wandern und an einen neuen Standort gelangen.
Der Wackelstein war zunächst nur ein Brocken unter vielen, die die Astronomen von Aufnahmen des Kamerasystems OSIRIS kannten: „Schon in früheren Aufnahmen war uns diese Formation aufgefallen“, erinnert sich Sebastien Besse von der ESA, der den Wackelstein entdeckt hat. „Die Brocken schienen sich jedoch zunächst nicht grundlegend von anderen zu unterscheiden.“ Neuere Aufnahmen aus einem anderen Blickwinkel und mit anderem Schattenwurf offenbarten dann die wacklige Position.
Große Felsen sind auf dem Kometen alles andere als selten: An vielen Stellen auf der Oberfläche des Rosetta-Kometen finden sich vereinzelte, zum Teil sehr große Brocken. Einer der größten auf der Unterseite des Kometen misst etwa 45 Meter. In Anlehnung an die ägyptischen Pyramiden haben die Forscher ihn „Cheops“ getauft. Andere Kometenregionen gleichen Geröllhalden und sind von Brocken geradezu übersät.
Schwierige Interpretation verschiedener Bilder
„Aufnahmen von der Oberfläche des Kometen richtig zu interpretieren, ist eine schwierige Aufgabe“, erklärt Sierks. Je nach Beobachtungsstandort der Raumsonde zum Zeitpunkt der Aufnahme, Beleuchtungsverhältnissen und Auflösung können sehr unterschiedliche und zum Teil irreführende Eindrücke entstehen.
So sieht es auf Aufnahmen der „Wackelstein-Formation“ aus 105 Kilometern Entfernung so aus, als rage der mittlere Brocken säulenartig empor. Spätere Aufnahmen aus größerer Nähe zeigen jedoch ein anderes Bild, hier deutet der Schatten eher auf einen rundlichen Klumpen hin.
Die Wissenschaftler wollen den Wackelstein-Kandidaten weiterhin genau beobachten. Neue Aufnahmen könnten Aufschluss über sein wahres Wesen geben, und möglicherweise auch über die Prozesse, die ihn entstehen ließen.
(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 19.05.2015 – AKR)