Sonnensystem

Verdanken wir dem Jupiter unsere Existenz?

Wanderung des Gasriesen im frühen Sonnensystem machte die Erd-Entstehung erst möglich

Erst der Gasriese Jupiter könnte die Bildung der Gesteinsplaneten im Sonnensystem ermöglicht haben © NASA/JPL

Planetare Abrissbirne: Ohne den Gasriesen Jupiter gäbe es vielleicht weder die Erde noch die anderen Gesteinsplaneten. Denn erst seine Wanderung durch das Sonnensystem zerstörte frühere Planetenkeime und bereitete so die Bühne für Merkur, Erde und Co. Dieser „Amoklauf“ des Gasriesen könnte auch erklären, warum der Bereich innerhalb des Merkur bei uns so ungewöhnlich leer ist, wie Forscher im Fachmagazin “ Proceedings of the National Academy of Sciences “ berichten.

Unser Sonnensystem ist eine Anomalie: In kaum einem anderen bekannten Planetensystem beginnen die innersten Planeten so weit außen und sind so gasarm wie bei uns. Denn die meisten der rund 500 bekannten Exoplaneten-Systeme besitzen stattdessen große Gasriesen oder Supererden, die ihren Stern sehr eng und schnell umkreisen – oft benötigen sie nur wenige Tage bis einige Monate für einen Umlauf.

Hinzu kommt, dass die inneren Planeten des Sonnensystems, Merkur, Venus, Erde und Mars, offenbar erst entstanden, nachdem ein Großteil des Gases in der Urwolke bereits vom Sonnenwind weggeweht worden war. Deshalb sind sie im Vergleich zu anderen Planeten eher gasarm. „Damit erscheint unser Sonnensystem immer mehr als Außenseiter“, erklären Konstantin Batygin und Gregory Laughlin vom California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena.

Die Wanderung des Jupiter zog Gesteinstrümmer mit sich - und das löste eine Kollisionskaskade aus. © Batygin und Laughlin/ PNAS

Gasriese auf Wanderschaft

Aber warum unterscheidet sich das Sonnensystem so stark von allen anderen bekannten Planetensystemen? Schon länger diskutieren Planetenforscher dazu eine Theorie: eine Wanderung des Jupiter. Einiges deutet darauf hin, dass der Gasriese nicht in der Umlaufbahn entstand, in der er jetzt kreist. Stattdessen wurde der Gasriese weiter außen gebildet und wanderte allmählich nach innen. Erst als dann weiter außen auch der Saturn entstand, kehrte sich diese Wanderung um und er etablierte sich in seiner heutigen Umlaufbahn.

„Es gibt eine Menge Belege, die diese Ein- und Auswärtswanderung des Jupiter belegen“, so Laughlin. „Wir haben uns nun angeschaut, welche Konsequenzen sie hatte.“ Dafür führten die Forscher Computersimulationen durch, die die Bildung von Protoplaneten und die Wirkung der Jupiterwanderung auf Gas und Planetenbausteine im jungen Sonnensystem rekonstruierten.

Fatale Kollisionskaskade

Wie sich zeigte, könnte die Wanderung des Gasriesen eine wahre Kettenreaktion im Sonnensystem ausgelöst haben. Denn er riss in seinem Sog enorme Mengen von Gesteinstrümmern und Planetenbausteinen mit sich in das innere Sonnensystem, wie die Simulation ergab. „Die Masse dieses durch Resonanzeffekte mitgezogenen Materials liegt bei 10 bis 20 Erdmassen – rund eine Größenordnung höher als die Masse aller erdähnlichen Planeten zusammen“, so die Forscher. Bis zu 1.000 Kilometer große Planetesimale könnte der Gasriese mitgezogen haben.

Das aber hatte fatale Folgen: Es löste eine Kaskade von Kollisionen dieser Brocken untereinander und mit den bereits im inneren Sonnensystem kreisenden Gesteinsbrocken aus. Größere Planetenkeime wurden dabei zerstört und ein Großteil der Trümmer stürzte in die nahe Sonne. Die ursprünglich in Sonnennähe sehr dichte Akkretionsscheibe wurde dadurch in diesem Bereich stark ausgedünnt. Erst als der Jupiter dann seine Wanderungsrichtung umkehrte, beruhigte sich die Lage allmählich.

Der Vergleich mit Exoplaneten-Systemen zeigt: Die meisten haben Planeten, die viel weiter innen liegen als im Sonnensystem. © Batygin und Laughlin / PNAS

Erde als zweiter Anlauf der Planetenbildung

„Mit anderen Worten: Die Wanderung des Jupiter im frühen Sonnensystem fegte das innere Sonnensystem leer und bereitete die Bühne für die Bildung einer zweiten Generation von kleinen, gasarmen terrestrischen Planeten“, so die Forscher. Dieses Szenario liefere damit eine natürliche Erklärung, warum das Sonnensystem so anders sei als die vielen Mehrplanetensysteme, die Kepler und andere Teleskope im Weltall entdeckt haben. Die Erde und die anderen Gesteinsplaneten entstanden demnach erst nach diesen katastrophalen Ereignissen – entweder aus den Trümmern der Kollisionskaskade oder aus den Gesteinsbrocken, die Jupiter von weiter außen mitbrachte.

„Die große Wanderung des Jupiter könnte durchaus eine ‚große Attacke‘ auf das frühe innere Sonnensystem gewesen sein“, konstatiert Laughlin. Der Gasriese wirkte wie eine primordiale Abrissbirne – und machte so die Bildung der Erde erst möglich. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2015; doi: 10.1073/pnas.1423252112)

(PNAS, 24.03.2015 – NPO)

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