Am besten frisch gepresst? Wenn wir Orangensaft trinken, gewinnt unser Körper bis zu viermal mehr wertvolle Nährstoffe, als wenn wir eine Orange essen. Der Grund dafür: Der Körper kann die gesunden Inhaltsstoffe aus dem Saft besser aufnehmen, wie eine Studie jetzt zeigt. Sie widerlegt damit Vorbehalte gegen den zuckerreichen Saft:. In Maßen genossen sei Orangensaft eindeutig ein Beitrag zu gesunder Ernährung, denn die Deutschen äßen ohnehin zu wenig Obst und Gemüse, konstatieren die Forscher.
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Orangen enthalten viel Vitamin C und außerdem noch eine Vielfalt an ebenfalls gesunden Carotinoiden und Flavonoiden. Orangensaft gehört daher für viele Menschen zu jedem gesunden Frühstück fest dazu – am besten frisch gepresst. Aber es gibt auch Stimmen, die dem Saft seine gesunde Wirkung streitig machen: Orangen enthalten von Natur aus auch sehr viel Zucker – für viele Ernährungsberater ein grundsätzliches Übel. Sie raten daher anstelle von gepresstem Orangensaft eher zum Verzehr von Orangen. In England wurde sogar eine „Strafsteuer“ auf alle Fruchtsäfte vorgeschlagen, einige Kindergärten verbannten Orangensäfte als „Junkfood“.
Simulierte menschliche Verdauung
Wissenschaftler um Julian Aschoff von der Universität Hohenheim wollten darum herausfinden, welche Form die gesündere ist: Saft oder Orange? Dazu stellten sie zunächst Saft aus einer der beliebtesten Orangensorten her, der Navel-Orange. „Wir haben sowohl Frischsaft, gewöhnlichen Direktsaft, als auch einen flash-pasteurisierten Saft hergestellt“, erklärt Aschoff. „Letzterer wird in Supermärkten oft gekühlt als „Premiumsaft“ verkauft.“
In einem in vitro-Modell des menschlichen Verdauungstraktes verglichen die Forscher dann, wie die Nährstoffe aus diesen Säften und aus der Frucht freigesetzt werden. Im Reagenzglas erzeugten sie nacheinander die Bedingungen, die im Mund, Magen und Dünndarm herrschen. Sie simulierten den Effekt des Kauens und der Darmbewegungen, und sie gaben nacheinander Speichel, Verdauungsenzyme und Gallenflüssigkeit hinzu. Das Ganze geschah ausschließlich im Dunkeln, erklärt Aschoff, damit lichtempfindliche Inhaltsstoffe erhalten bleiben.
Bis zu viermal mehr Inhaltsstoffe aus Saft
Das Ergebnis fiel eindeutig zugunsten des Saftes aus: Bei den Carotinoiden, die als Provitamin-A eine wichtige Rolle im menschlichen Körper spielen, stieg der freigesetzte Anteil von elf Prozent in der Frucht auf 28 Prozent im Frischsaft und sogar bis zu 40 Prozent im pasteurisierten Saft. Damit sind Carotinoide aus dem Saft bis zu vierfach besser verfügbar als aus der Frucht.
„Zwar werden die Carotinoid- und Vitamin C-Gehalte bei der Saftherstellung geringfügig vermindert“, sagt Studienleiter Reinhold Carle von der Universität Hohenheim. „Gleichzeitig aber nimmt die Freisetzung dieser Inhaltsstoffe und somit der Anteil, den der Körper aufnehmen und verwerten kann, um ein Vielfaches zu.“ Aschoff setzt hinzu: „Die Inhaltsstoffe im Saft werden bei der Pasteurisierung besser freigesetzt als beim Verzehr der ganzen Frucht und können so vom Körper besser aufgenommen und verstoffwechselt werden.“
Gesunder Genuss in Maßen
Egal, ob der Verbraucher nun den Frischsaft, den Direktsaft oder den Saft aus Konzentrat bevorzugt – sie alle seien auch trotz des hohen Zuckergehalts gesund, wenn man sie in Maßen genießt. Carle empfiehlt: „Da der Obst- und Gemüseverzehr in Deutschland weit unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung liegt, kann der Konsum von Orangensaft zu einer gesunden Ernährung beitragen.“
Nur von einem rät der Experte ab: Orangennektar. „Der Begriff Nektar hört sich zwar gut an und suggeriert, dass es als ‚Trank der Götter‘ ein besonders hochwertiges Produkt sei“, so Carle. „In Wirklichkeit wird Nektar aber zur Hälfte mit Wasser gemischt und dann mit Zucker angereichert, damit er genauso süß ist wie ein Saft.“ Am Ende enthält er zwar genauso viel Zucker wie ein Orangensaft – aber nur die Hälfe der Vitamine. „Wer sich gesund ernähren will, sollte die Finger besser von Orangen-, Apfel- und Ananasnektar lassen.“ Nektare seien nur bei besonders sauren Früchten wie Johannisbeeren oder zähflüssigen Säften wie von Banane und Aprikose berechtigt. (Journal of Agricultural and Food Chemistry, 2015; doi: 10.1021/jf505297t)
(Universität Hohenheim, 23.03.2015 – AKR)