Mikrobiologie

Bakterien unterhalb der „Mindestgröße des Lebens“

Mikroskop zeigt ultra-kleine Mikroorganismen in "sterilen" Wasserproben

Cryo-Elektronenmikroskopische Aufnahme einer ultra-kleinen Bakterienzelle. Der schwarze Balken entspricht 100 Nanometern. © Berkeley Lab

Kleiner geht’s nicht: Einige neu entdeckte Bakterien fordern bisherige Vorstellungen über die Mindestgröße einer Zelle heraus. Mikrobiologen fanden die Winzlinge in Wasserproben, aus denen eigentlich alle Mikroorganismen herausgefiltert sein sollten – doch die ultra-kleinen Bakterien schlüpften durch den Filter. Im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten die Forscher, mit welchen Strategien so kleine Bakterien überleben können.

Bakterien sind winzig klein, aber nicht beliebig klein: Auch einzellige Lebewesen brauchen einen gewissen Platz, um ihr Erbgut, den gesamten Stoffwechsel und noch eventuell gespeicherte Nährstoffe in der Zelle unterzubringen. Wissenschaftler sind sich daher einig, dass es eine Art untere Grenze für die Größe lebender Zellen geben muss, eine „Mindestgröße des Lebens“. Nach Ansicht einer früheren Studie ist ein Volumen von etwa 0,013 Kubik-Mikrometern nötig – etwa das Zweieinhalbfache eines durchschnittlichen Virus.

Zu klein für den Filter

Die Bakterien, die Jillian Banfield von der University of California in Berkeley zusammen mit Kollegen nun entdeckt haben, stoßen hart an diese Grenze: Einige davon kommen sogar mit bloß 0,009 Kubik-Mikrometern aus und sind damit sogar etwas kleiner, als Wissenschaftler bisher für möglich gehalten haben. 150 dieser ultra-kleinen Bakterien hätten Platz im Inneren einer Zelle des Darmkeims Escherichia coli. Auf der Spitze eines menschlichen Haares könnten sich rund 150.000 davon zusammendrängen.

Weil die Bakterien so klein sind, überrascht es kaum, dass Mikrobiologen sie bislang übersehen haben. Dabei sind sie offenbar gar nicht so selten: Das Team um Banfield fand die ultra-kleinen Organismen im Grundwasser. Auf der Suche nach unbekannten Bakterien pressten sie Wasserproben durch immer feinere Filter, bis hinunter zu einer Porengröße von nur 0,2 Mikrometern. Solche Filter werden normalerweise benutzt, um Wasser zu sterilisieren.

Rätselhafte Lebensgemeinschaften

Die am Ende erhaltenen Proben waren jedoch alles andere als steril: Mit sogenannter Cryo-Elektronenmikroskopie fanden die Wissenschaftler in dem schockgefrorenen Wasser gleich drei verschiedene Bakterienstämme. „Diese neu entdeckten ultra-kleinen Bakterien sind ein Beispiel einer Untergruppe des mikrobiellen Lebens auf der Erde, über die wir fast gar nichts wissen“, sagt Banfield.

Diese Mikroskopische Aufnahme zeigt die fadenartigen Pili, mit denen die ultra-kleinen Bakterien möglicherweise Kontakt zu anderen Mikroorganismen halten. Der schwarze Balken entspricht 100 Nanometern. © Berkeley Lab

„Sie sind rätselhaft. Diese Bakterien lassen sich in vielen Lebensräumen finden und spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle in mikrobischen Gemeinschaften und Ökosystemen“, so die Mikrobiologin weiter. „Aber wir verstehen noch nicht vollständig, was diese ultra-kleinen Bakterien tun.“

Die Wissenschaftler fanden jedoch bereits einige Hinweise darauf, wie die Bakterien trotz ihrer überraschenden Winzigkeit überleben können. Zum einen gehen sie offenbar platzsparend vor: Ihre DNA ist zu dichten Spiralen aufgeknäuelt. Das Erbgut selbst fällt außerdem relativ sparsam aus: Offenbar verzichten die Bakterien auf einige Bereiche des Stoffwechsels. Dadurch entgingen ihnen zwar wichtige Nährstoffe, erklären die Forscher. Diese Nährstoffe könnten die winzigen Bakterien jedoch in einer Art Lebensgemeinschaft mit anderen Mikroorganismen erhalten.

Wie klein kann eine Zelle sein?

Die mikroskopischen Aufnahmen deuten ebenfalls auf solche Lebensgemeinschaften hin: An vielen der Bakterien sahen die Mikrobiologen fadenartige Fortsätze, sogenannte Pili. Mit diesen Anhängseln könnten die Bakterien Kontakt zu anderen Mikroorganismen halten und vielleicht sogar Nährstoffe austauschen. Viele Einzelheiten des Stoffwechsels der ultra-kleinen Bakterien sind den Forschern jedoch noch unbekannt: Bei etwa der Hälfte der Gene aus den neu entdeckten Stämmen hätten sie noch keine Ahnung, was sie tun, gibt Banfield zu.

Diese Wissenslücke wollen die Forscher aber bald verkleinern, wie Erstautorin Birgit Luef von der University of California erklärt: „Es gibt keine Einigkeit darüber, wie klein ein lebender Organismus sein kann, und welche raumoptimierenden Strategien die untere Grenze für die Größe einer Zelle setzen können“, so die Wissenschaftlerin. „Unsere Forschung ist ein wichtiger Beitrag zur Charakterisierung der Größe, Form und inneren Struktur ultra-kleiner Zellen.“ (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms7372)

(DOE/Lawrence Berkeley National Laboratory, 02.03.2015 – AKR)

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