Klima

Mit Laser in die Vergangenheit der Ozeane

Forscher rekonstruieren Säuregehalt der vergangenen 120 Jahre im Nordpazifik

Kalk-Algen der Art Clathromorphum nereostratum bilden massive Strukturen am Meeresboden. Diese spezielle Art kommt nur in der Beringsee und rund um die Aleuten vor, ähnliche koralline Algen gibt es aber in allen Ozeanen der hohen Breiten. © Joe Tomoleoni

Saure Zeiten im Meer? Zum ersten Mal haben Wissenschaftler ein zeitlich hochaufgelöstes Modell der Ozeanversauerung erstellt. Mit moderner Lasertechnik rekonstruierte ein internationales Forscherteam den Anstieg des Säuregrades im Nordpazifik seit Ende des 19. Jahrhunderts. Das Ergebnis: Die Versauerung hängt direkt mit steigendem Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre zusammen, schwankt aber auch stark mit den Jahreszeiten, erklären die Forscher in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“.

Die globale Erwärmung ist nicht das einzige Problem, das durch das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) entsteht. Denn mit dem Anstieg der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre gelangen auch immer größere Mengen des Gases in die Meere. Zusammen mit dem Wasser bildet es Kohlensäure – der Säuregehalt des Meerwassers steigt, der pH-Wert der Ozeane sinkt also. Fatalerweise könnten sich die Klimaerwärmung und die Ozeanversauerung durch einen Rückkopplungseffekt sogar gegenseitig aufschaukeln.

Versauerung erst seit Kurzem überwacht

Welche Auswirkungen der sinkende pH-Wert im Wasser auf die Ökosysteme haben wird, ist noch weitgehend offen. Wissenschaftler stehen hier vor einem großen Problem: Systematisch wird der pH-Wert im Meer erst seit wenigen Jahrzehnten überwacht, in einigen Bereichen sogar nur seit wenigen Jahren. Mit welchen pH-Werten sind Organismen vor 100, 200 oder 1000 Jahren zurechtgekommen?

Während für den Klimawandel in der Atmosphäre mittlerweile detaillierte Modelle existieren, die auch Jahrtausende zurück reichen, sind solche Modelle für die Veränderung des Säuregehalts in den Ozeanen bislang bestenfalls lückenhaft. Wissenschaftler um Jan Fietzke vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel haben nun eine Methode entwickelt, um diese Wissenslücke zu schließen.

Die Proben für die aktuelle Studie stammen aus den Küstengewässern von Attu Island (Aleuten). © GEBCO world map 2014, www.gebco.net

Information in Jahresringen

Das Forscherteam untersuchte Algen der Art Clathromorphum nereostratum. Diese Algen bilden im Nordpazifik und in der Beringsee große Riffe mit festen Kalkstrukturen. Darin sind schon mit bloßem Auge Jahresringe zu erkennen, die – ähnlich wie bei Bäumen – Informationen über die jeweiligen Umweltbedingungen enthalten. Mit einem Verfahren namens Laser-Ablation entschlüsselten die Forscher diese Informationen nicht nur jahresweise, sondern sogar bis auf Monate genau.

Bei der Methode schießt ein spezieller Laser an vorher genau definierten Punkten von gerade mal einem Zehntel Millimeter Größe Material aus der Probe. „So erhalten wir extrem hoch aufgelöste Ergebnisse, die man sehr gut optisch auswerten kann“, erläutert Fietzke. Das abgelöste Material wird anschließend automatisch in ein Massenspektrometer abgeführt, wo verschiedene Isotopenverhältnisse in der Probe gemessen werden können. Für die aktuelle Studie nutzte die Arbeitsgruppe zwei Isotope des Elements Bor, deren Verhältnis zueinander als zuverlässiger Indikator für den pH-Wert des Meerwassers gilt.

Trend passt zu Kohlendioxid in der Atmosphäre

Die Wissenschaftler rekonstruierten den Säuregrad des nördlichen Pazifiks während der letzten 120 Jahre. Es zeigte sich, dass der pH-Wert im Nordpazifik tatsächlich seit Ende des 19. Jahrhunderts sinkt, das Wasser also versauert. Verantwortlich ist in der Tat das CO2: „Der Trend passt genau zu den steigenden Kohlendioxid-Werten in der Atmosphäre“, erklärt Co-Autorin Federica Ragazzola von der Universität Bristol.

Probe einer korallinen Alge Clathromorphum nereostratum im Laser-Ablationslabor. Auch mit dem bloßen Auge sind bereits die Wachstumsringe in der Kalkstruktur erkennbar. © J. Steffen, GEOMAR

Gleichzeitig offenbarte die monategenaue Auflösung aber auch, dass der pH-Werte innerhalb eines Jahres stark schwankt. Der Grund daher sind vermutlich die großen Wälder von Seetang, die in der Herkunftsregion der Kalkalgen wachsen. „Im Frühjahr und Sommer verbraucht der Tang große Mengen an CO2“, erklärt die Biologin. Dadurch bleibt weniger CO2 im Wasser gelöst, und der pH-Wert steigt vorrübergehend.

„Diese und ähnliche Arten von Kalkalgen gibt es in allen Ozeanen in den hohen Breiten“, sagt Erstautor Fietzke. Da die Kalkstrukturen mehrere tausend Jahre alt werden können, bieten sie den Forschern noch viel Raum für genauere Modelle: „Dank der Laserablation können wir mit weiteren Proben in Zukunft noch viel weiter in die Vergangenheit zurück, um detailliert pH-Wert und andere Umweltparameter zu rekonstruieren.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2015; doi: 10.1073/pnas.1419216112)

(GEOMAR, 24.02.2015 – AKR)

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