Anthrax, Pest und Meeres-Mikroben: In der New Yorker U-Bahn tummelt sich eine ungewöhnliche Mikroben-Vielfalt. So entdeckten US-Forscher im Süden Manhattans antarktische Mikroben, die mit Sturm Sandy dorthin gespült worden waren. In anderen Bahnhöfen und Zügen fanden sie multiresistente Keime und sogar Anthrax-Erreger. Gut die Hälfte der mikrobellen U-Bahn-Reisenden aber ist bisher noch völlig unbekannt, wie die Forscher im Fachmagazin „Cell Systems“ berichten.
Dass wir unser Zuhause, unsere Umwelt und selbst unseren Körper mit unzähligen Mikroben teilen, ist nichts Neues. Kein Wunder also, dass es auch überall da vor Bakterien und Viren wimmelt, wo sich viele Menschen aufhalten. Einer dieser Orte ist die New Yorker U-Bahn: Immerhin rund 5,5 Millionen Menschen nutzen jeden Tag die Züge der Metropole und hinterlassen dabei unzählige Mikroben. Umgekehrt nehmen sie auch ihrerseits Mikroben aus der U-Bahn mit.
Karte der heimlichen Mitfahrer
Welche Bakterien, Pilze und Viren in den Zügen und Bahnhöfen der U-Bahn vorkommen, haben nun Ebrahim Afshinnekoo vom Macaulay Honors College im New Yorker Stadtteil Queens und seine Kollegen erstmals systematisch erfasst. Sie erstellten quasi eine Mikrobenkarte der New Yorker U-Bahn. Dafür entnahmen die Forscher und ihre Helfer über 17 Monate hinweg Proben von Bänken, Geländern, Mülleimern und Ticketautomaten in den Bahnhöfen und von verschiedenen Oberflächen in den U-Bahn-Zügen.
Alle Proben wurden genetisch analysiert und anhand der DNA die Mikroben bestimmt. „Wir hatten zwar Hypothesen darüber, was auf den Oberflächen in der U-Bahn leben könnte, aber keine wirkliche Vorstellung, was wir finden würden, sagt Erstautor Ebrahim Afshinnekoo vom Macaulay Honors College im New Yorker Stadtteil Queens.
Unbekannte Mikroorganismen zuhauf
Die Forscher fanden dabei Erstaunliches. So entpuppten sich gut 48 Prozent aller gesammelten DNA-Sequenzen als nicht identifizierbar – sie stammten von völlig unbekannten Organismen. „Das unterstreicht, wie viele unbekannte Arten es selbst in unserer städtischen Umgebung gibt“ sagt Afshinnekoo. Erst 2014 hatten Forscher Ähnliches für die Lebenswelt im Boden unter dem New Yorker Central Park festgestellt. Dort erwiesen sich sogar 90 Prozent aller Organismen als unbekannt.
Von den 637 bekannten Viren, Bakterien und Pilzen in den U-Bahn-Zügen und Bahnhöfen waren mehr als die Hälfte harmlose Mitbewohner unserer Haut und unseres Körpers, gut ein Drittel waren opportunistische Mikroorganismen, die für gesunde Menschen harmlos sind und nur bei verletzten oder immungeschwächten Menschen Krankheiten auslösen können, wie die Forscher berichten.
„Diese Bakterien können sogar hilfreich sein, denn sie verdrängen gefährliche Krankheitserreger“, sagt Christopher Mason vom Weill Cornell Medical College in New York.
Pest und Milzbrand
Nur rund zwölf Prozent der in den U-Bahnen nachgewiesenen Mikroorganismen erweisen sich als eindeutig krankheitserregend. Unter diesen allerdings hatten es einige in sich: So fanden sich in vielen Proben resistente Bakterien, die gegen gängige Antibiotika immun waren. In zwei Proben stießen die Forscher auf DNA-Fragmente des Bacillus anthracis, den gefürchteten Milzbranderreger und in drei Proben fanden sie DNA, die vom Pesterreger Yersinia pestis stammte. In Tests gelang es allerdings nicht, diese Erreger zu kultivieren oder zu vermehren.
Die Forscher glauben daher nicht, dass diese Erreger eine echte Gefahr für die Passagiere darstellen. „Obwohl wir Spuren dieser pathogenen Mikroben fanden, ist ihre Präsenz offenbar nicht substanziell genug, um die menschliche Gesundheit zu gefährden“, sagt Mason. Zudem sei seit Jahren kein Fall einer Pesterkrankung in New York bekannt. Es gebe daher keinen Grund, deswegen nur noch mit Handschuhen U-Bahn zu fahren.
Jeder Stadtteil seine eigenen Mikroben
Wie die Kartierung zeigte, hat jede Zuglinie und sogar jeder Bahnhof und Stadtteil seine eigene, typische Mikrobenwelt. So kommen Dutzende von Bakterien nur auf ganz bestimmten Oberflächen in den Zügen vor, andere existieren offenbar nur in bestimmten Regionen der Stadt. Die Bronx erwies sich dabei als besonders artenreich, Staten Island war am artenärmsten. Manhattan, Brooklyn und Queens lagen dazwischen, wie die Forscher berichten.
Skurril waren die Funde in der South Ferry Station im Süden Manhattans – einer Station, die vor gut zwei Jahren beim Sturm Sandy überflutet worden war. Hier stießen die Forscher noch immer auf überraschend viele Bakterien, die sonst nur im Ozean vorkommen. Unter ihnen war eine normalerweise mit Austern verbundene Art und sogar eine sonst nur in der Antarktis vorkommende Mikrobe. (Cell Systems, 2014; doi: 10.1016/j.cels.2015)
(Weill Cornell Medical College, 09.02.2015 – NPO)