Mit Musik gegen das Alter: Wer als Kind ein Instrument zu spielen gelernt hat, dessen Gehirn erkennt Sprache auch noch im Alter besser. Dies zeigt ein Vergleich der Hirnaktivität von Menschen mit und ohne musikalische Ausbildung, den kanadische Wissenschaftler durchgeführt haben. Musikalisches Training kann demnach einige Effekte des Alterns aufheben, schreiben die Forscher im „Journal of Neuroscience“.
Menschen in hohem Alter haben oft Schwierigkeiten, Unterhaltungen zu folgen und andere zu verstehen. Das liegt nicht allein an möglichem Gehörverlust: Das Verständnis der Sprache selbst kann mit dem Alter drastisch nachlassen, wie Untersuchungen zeigen. Dabei verliert das Gehirn die Fähigkeit, typische Sprachmuster als solche zu erkennen und zu verarbeiten.
Sprache oder Zufallsgeräusche
Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass musikalisches Training in der Jugend nicht nur die Entwicklung fördert. Es trägt offenbar auch im Alter dazu bei, die Verarbeitung von gehörter Sprache im Gehirn zu erhalten. Gavin Bidelman und Claude Alain vom Rotman Research Institute in Toronto haben dies mit einem neurologischen Experiment untermauert.
Die Wissenschaftler verglichen die Leistungen von zehn Musikern mit denen von zehn Nicht-Musikern in einem Hörtest. Den Probanden im Alter von 55 bis 75 Jahren spielten die Forscher über Kopfhörer verschiedene Laute vor und baten sie, diese als Sprache oder Zufallsgeräusche einzuordnen. Manche dieser Laute bestanden lediglich aus einzelnen Vokalen, wie „oooo“ oder „ahhh!“. Andere bestanden aus einem Mix von Einzellauten und waren für die Zuhörer schwieriger zu identifizieren. Während des Tests zeichneten die Forscher die Hirnaktivität der Versuchspersonen mittels Elektroenzephalographie (EEG) auf. Damit lässt sich präzise d bestimmen, wann und wie das Gehirn auf äußere Reize reagiert.
Musik ist anregendes Gehirntraining
Das Ergebnis des Experiments war eindrucksvoll: Die Musiker schnitten deutlich besser ab. Sie waren zwei- bis dreimal schneller beim Erkennen und Verarbeiten der akustischen Signale als die Versuchsteilnehmer ohne musikalische Ausbildung, wie die EEG-Daten zeigten. „Das Gehirn älterer Musiker liefert ein viel detaillierteres, klareres und genaueres Abbild des Sprachsignals, weshalb sie Sprache wahrscheinlich besser verstehen können“, fasst Bidelman zusammen.
Dieses Ergebnis liefert den Forschern zufolge neue Beweise dafür, dass musikalisches Training manche Alterseffekte verhindern oder zumindest abschwächen kann. „Musikalische Aktivität ist eine anregende Form von kognitivem Gehirntraining“, sagt Bidelmann. Die Effekte dieses Trainings seien nicht nur bei jungen Menschen vorhanden, sondern blieben im Alter erhalten. Darum sei musikalische Ausbildung in Schulen, aber auch in Pflegeprogrammen für ältere Menschen wichtig. (Journal of Neuroscience, 2015; doi: 10.1523/JNEUROSCI.3292-14.2015)
(Baycrest Centre for Geriatric Care, 03.02.2015 – AKR)