Raffinierte Tarnung: Stabheuschrecken tarnen nicht nur sich selbst, auch ihre Eipakete ähneln Pflanzensamen. Jetzt haben Forscher eine neue Art dieser Stabschrecken entdeckt, die gleich ganze Eipakete mit dieser raffinierten Tarnung versieht. Die Imitation eines Samens sorgt dafür, dass schmarotzende Wespen die Eier nicht erkennen und parasitieren können, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Stab- und Gespenstschrecken sind Meister der Tarnung: Sie imitieren Zweige und Blätter in Perfektion, um sich vor ihren Feinden zu verbergen. Dies geht sogar so weit, dass auch ihre Eier auf besondere Weise getarnt sind: Sie ähneln in verblüffender Weise den Samen von Pflanzen. Die weiblichen Stabschrecken werfen sie nacheinander auf den Boden, um diese Illusion noch zu verstärken. Diese Strategie macht es flügellosen schmarotzenden Wespen schwer, die Stabschreckeneier in der Laubschicht aufzuspüren.
Paketweise statt einzeln
Doch es geht offenbar auch anders, wie Julia Goldberg von der Universität Göttingen und ihre Kollegen feststellten. Denn sie haben bei einer neuentdeckten Art der Stab- und Gespenstschrecken eine weitere Fortpflanzungsstrategie entdeckt. „Die neu entdeckte Art aus Vietnam legt keine einzelnen Eier ab, sondern produziert komplexe Eipakete, sogenannte Ootheken, in denen sie über dreißig Eier in streng geordneter Folge arrangiert und an Zweige und Blätter klebt“, erklärt Sven Bradler von der Universität Göttingen.
Diese neue Strategie ist eine komplette Abkehr von der bislang bekannten Vorgehensweise dieser Stabschrecken und ähnelt eher der Gruppe der Gottesanbeterinnen. Deren Weibchen platzieren ausschließlich ausgetüftelte Eipakete in der Umgebung. „Die neue Form der Eiablage, die Stabschrecken somit unabhängig zu Gottesanbeterinnen erfunden haben, erfordert eine Fülle evolutiver Neuerungen, so etwa die Entwicklung spezieller Drüsen und das gleichzeitige Heranreifen zahlreicher Eier“, sagt Goldberg.
Motivation rätselhaft
Was genau die Insekten dazu veranlasst hat, ihre Fortpflanzungsstrategie derart drastisch zu verändern, bleibt spekulativ. „Vermutlich waren die Vorfahren der neuen vietnamesischen Art keine Nahrungsgeneralisten wie die meisten Formen, die ihre Eier umherwerfen, sondern Nahrungsspezialisten, die gezielt einzelne Eier auf den Blättern der Nahrungspflanzen platzieren. Darüber hinaus scheint die Formung einer Oothek auch dem Schutz der Nachkommen zu dienen. Die Biologie der Stab- und Gespenstschrecken ist aber derzeit viel zu wenig erforscht, um hier zu einem abschließenden Urteil zu gelangen“, so Bradler. (Scientific Reports, 2014; doi: 10.1038/srep07825)
(Georg-August-Universität Göttingen, 19.01.2015 – NPO)